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Die dunklen Farben des Lichts (German Edition)

Die dunklen Farben des Lichts (German Edition)

Titel: Die dunklen Farben des Lichts (German Edition)
Autoren: Andrea Gunschera
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dass er nur sparsam sein musste, solange sein Einkommen nicht gesichert war. Aber das lag sechs Monate zurück. Er hatte nicht erwartet, dass es so schwer werden würde.
    Das Anwaltsschreiben kam nicht unerwartet. Er war mit den Mieten im Rückstand. Zwischen den Papierstapeln auf seinem Tisch lagen Mahnungen für Wasser und Heizung. Wenn sie ihm den Strom abschalteten, würde er eben Kerzen anzünden, hatte er gedacht. Rembrandt und Vermeer hatten auch bei Kerzenlicht gemalt.
    Henryk lehnte sich zurück und zog die Knie dicht an seinen Körper. In seiner Manteltasche knisterte die Visitenkarte des Galeristen.
     
     
     
    „Eine Biografie“, sagte Paul Verhoeven.
    Henryk beobachtete, wie beim Sprechen Speichelbläschen auf seiner Unterlippe zerplatzten. „Warum?“
    „Weil die Leute wissen wollen, wer Sie sind. Die kaufen nicht einfach ein Bild, weil es schön aussieht. Die wollen eine Geschichte dazu. Die Seele des Künstlers, verstehen Sie?“
    „Die Leute wollen meine Seele?“
    Der Galerist runzelte die Stirn. „Was nun? Geben Sie mir Ihre Daten?“
    Henryk schlang seine Arme um den Oberkörper. Er sah an Verhoeven vorbei zum Fenster. Die Staffelei gähnte wie ein nacktes Gerippe. Er hatte das Bild abgenommen, mit Packpapier verhüllt und in einer Schublade seines Zeichenschranks vergraben.
    Es war nichts Besonderes an Verhoevens Forderung. Trotzdem wand sich Henryk vor Unbehagen. „Ich habe Malerei an der St. Lukas Akademie studiert. Bei Professor Lauwaert.“ Er musste husten. Das lag an der Kälte. Die Nächte vor der Staffelei, wenn Frost die Fenster vereiste.
    „Das weiß ich.“ Verhoeven tippte mit seinem Bleistift gegen den Notizblock. „Was noch? Haben Sie noch nie einen Lebenslauf verfasst?“
    „Ich verstehe nicht, warum Sie das brauchen.“
    „Wo sind Sie geboren? Beruf Ihrer Eltern.“ In Verhoevens Stimme schlich sich Ungeduld. „Sie müssen das doch schon hundert Mal gelesen haben. Der Künstler, geboren da und da als Sohn eines Dorflehrers und einer Pianistin, interessierte sich bereits frühzeitig für die Malerei... Jetzt helfen Sie mir mit ein paar Fakten, den Rest dichte ich zusammen.“
    „Das verstehe ich nicht.“ Irgendwo im Treppenhaus schlug eine Tür zu. „Das ist doch egal, wo ich geboren bin. Hat das irgendeinen Einfluss auf die Bilder?“
    „Jetzt weiß ich, was Lauwaert meinte.“
    „Was?“
    „Als er sagte, Sie wären ein schwieriger Mensch.“
    Henryk stieg das Blut ins Gesicht. Rasch drehte er sich weg. Er legte seine Stirn gegen die Fensterscheibe und starrte auf einen Punkt an der gegenüberliegenden Hausfassade. Ihm entglitt die Kontrolle. Dabei wollte er es nicht verderben, wirklich nicht. „Hat er das wirklich gesagt?“
    „Entschuldigung? Können Sie bitte – “, er hörte Verhoevens Schritte, „können Sie etwas lauter sprechen?“ Jetzt stand der Galerist direkt hinter ihm.
    Henryk roch seinen Atem. „In Bukarest.“
    „Bukarest? Das ist interessant.“
    „Warum finden Sie das interessant?“
    Verhoeven lachte. „Das ist exotisch, das macht Sie anders. Sie wissen schon, Ostblock und so, düstere Vergangenheit. Die Leute mögen das.“
    Henryk wandte sich um. Irritation überlagerte sein Unbehagen. „Wie meinen Sie das?“
    „Vergessen Sie’s.“ Verhoeven presste seinen Bleistift gegen das Kinn. „Und Ihre Eltern? Was sind die von Beruf?“
    „Ich will das nicht.“
    Verhoeven ließ den Notizblock sinken. Geräuschvoll stieß er den Atem aus. „Es gibt einen Interessenten.“
    Henryk schwieg.
    „Peter Baeskens. Ich habe ihm die Fotos gezeigt.“
    „Von den Bildern?“
    „Wenn er kauft, können Sie sich gratulieren.“
    „Ja“, murmelte Henryk. Verstört betrachtete er seine Hände. Er kannte den Namen, vom Kulturteil in den Zeitungen. Dass der große Peter Baeskens sich für seine Bilder interessierte, war eigentlich unmöglich. Eine Verwechslung vielleicht.
    Andererseits hatte ihn vor ein paar Tagen Jan Lauwaert von der Akademie angerufen und ihm gesagt, dass ein Galerist seine Bilder ausstellen würde, ein guter Freund. Das war ihm auch unmöglich erschienen.
    Und dann hatte sich Verhoeven bei ihm gemeldet.
     

2
     
     
     
    Windböen rissen an den Fackeln, die den Aufgang zur Galerie Verhoeven säumten. Die Steinplatten glänzten unter einer dünnen Schicht Schnee. Henryk stand abseits und beobachtete die Menschen, die sich auf den Stufen drängten. Der Wind zerrte an seinem Haar, drang ihm durch den Mantel und ließ ihn
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