Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die dunklen Farben der Begierde (German Edition)

Die dunklen Farben der Begierde (German Edition)

Titel: Die dunklen Farben der Begierde (German Edition)
Autoren: Kristina Lloyd
Vom Netzwerk:
Statur ihres Vaters, der bestürzt dreinsah.
    «Wenn es das ist, was mit einem passiert, wenn einen die Liebe packt», murmelte Kitty, «dann glaub ich nicht, dass mich das reizt.»
    Um dichter an das Fenster heranzukommen und besser sehen zu können, raffte Clarissa ihre Röcke. Kitty rümpfte verächtlich ihre Nase.
    «Das kann man ja kaum mit ansehen», beschwerte sie sich und trat einen Schritt zurück. «Da geh ich doch lieber noch mehr heißes Wasser holen.»
    Clarissa begab sich auf die Knie und lehnte sich aus dem Fenster. Ihr Vater, ein einflussreicher Kaufmann, genoss im Allgemeinen den Ruf einer willensstarken, unbeugsamen Persönlichkeit mit einer Neigung zum Tyrannen. Aber seit Alicia in sein Leben getreten war, hatte er sich fast bis zur Unkenntlichkeit gewandelt.
    Alicia schillerte. Sie trat in Erscheinung als Flamme aus rotem Haar, gefolgt von einem Wirbelwind von kostbaren Kleidern. Sie war es gewesen, die Charles davon überzeugt hatte, das Stadthaus wieder bewohnbar zu machen, indem sie darauf bestand, dass Clarissa unbedingt in die Londoner Gesellschaft eingeführt werden müsse. Bei ihrer Ankunft erklärte sie: «Die einzige Möglichkeit, aus diesem Haus etwas zu machen, besteht darin, erst mal die Hälfte seines Inhalts zu verbrennen.» Charles hatte geantwortet: «Das kommt überhaupt nicht in Frage. Eine vollkommen absurde Idee!» Und doch stand er jetzt dort und musste sprachlos mit ansehen, wie hemdsärmlige Männer die missliebigen Möbelstücke aus dem Haus schleppten. Ein köstlicher Anblick.
    «Qu’est-ce que vous faites?» , ertönte eine strenge Stimme. «C’est une odeur infernale. Tish! Fermez la fenêtre, mademoiselle. Immediatement!»
    Clarissa zuckte zusammen. Pascale Rieux musste noch lernen, was ihr zustand und was nicht.
    «Schließen wirst du es», antwortete sie, wobei sie ihre ruhige, beherrschte Stimme beibehielt und aufstand. «Und ich wäre dir dankbar, wenn du dich daran erinnern würdest, dass wir uns hier in England befinden, Pascale. Wir sprechen hier Englisch.»
    Ohne darauf einzugehen, machte Pascale sich am Waschzuber zu schaffen. Als Kitty einen weiteren Krug voll Wasser hereinmanövrierte, drehte sie sich mit blitzenden dunklen Augen zu dem Dienstmädchen um.
    «Et toi» , blaffte sie und scheuchte das verdutzte Mädchen, indem sie in die Hände klatschte. «Vite! Vite! Et fermez la fenêtre!»
    Kitty blickte trotzig. «Was hat sie da gesagt, Miss?»
    «Sie hat gesagt», seufzte Pascale, «dass du dich bitte beeilen und bitte das Fenster schließen sollst.»
    «Das ‹bitte› hat sie allerdings weggelassen», ergänzte Clarissa knapp und schloss das Fenster mit entschlossenem Schwung.
    Kitty setzte den Krug ab und zog hinter Pascales Rücken eine Grimasse, bevor sie den Raum, ohne zu knicksen, wieder verließ. Die junge Französin ließ sich auf den Polsterstuhl vor der Frisierkommode fallen. Ein paar Momente lang schloss sie die Augen und holte lang und tief Luft.
    Clarissa betrachtete sie, fasziniert von dem feinen Zittern ihrer Nasenflügel. Was für ein merkwürdiges Wesen diese junge Frau war, dachte sie, und von welch seltsamer Schönheit. Ihr Gesicht war fein geschnitten, trotzdem hatte sie eine kräftige südländische Nase, die ganz leicht gebogen war. Bei jedem anderen hätte diese Nase riesig gewirkt, bei Pascale jedoch wirkte sie perfekt.
    «Mademoiselle, verzeiht mir», sagte sie schließlich und sah Clarissa geradeheraus an. «Ich wollte nicht unhöflich sein. Ich möchte einfach nur, dass Ihr heute Abend sehr, sehr schön ausseht. Und dieses Haus ist so … so chaotique . Das macht mich zu sehr wütend. Verzeiht mir.»
    «Bitte», korrigierte Clarissa sie streng. «Verzeiht mir bitte .»
    Erstaunen huschte über Pascales Gesicht. Dann lächelte sie kaum merklich. «O ja», sagte sie. «Bitte.»

    Kitty machte sich enttäuscht davon und entfernte sich vorsichtig von der Tür. Das war ja wohl nicht die Gardinenpredigt gewesen, die zu belauschen sie gehofft hatte.
    Sie stapfte die Treppen hinab, mit zusammengebissenen Zähnen und ärgerlich gerunzelter Stirn. Oh, wenn sie aus gutem Hause wäre, dann würde sie dieser französischen Ziege eine ordentliche Abreibung verpassen. Das würde sie bestimmt zur Besinnung bringen. Kitty grinste, als ihr schließlich eine noch bessere Idee kam. Was Pascale brauchte, war ein schöner, strammer Schwanz. Der würde ihren verkniffenen kleinen Mund vielleicht zum Lächeln bringen.
    Aber natürlich wäre, wenn sich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher