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Die dunkle Villa: Ein Fall für Alexander Gerlach (Alexander Gerlach-Reihe) (German Edition)

Die dunkle Villa: Ein Fall für Alexander Gerlach (Alexander Gerlach-Reihe) (German Edition)

Titel: Die dunkle Villa: Ein Fall für Alexander Gerlach (Alexander Gerlach-Reihe) (German Edition)
Autoren: Wolfgang Burger
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meines bejammernswerten Zustands nicht besser die Schule schwänzen sollten.
    »Die Noten stehen doch eh schon alle fest.«
    Zu ihrer Enttäuschung hatte ich mich geweigert, die vorbereiteten Entschuldigungen zu unterschreiben. Ich brauchte keine Aufsicht und keine Krankenpflegerinnen mehr. Verglichen mit dem Vortag ging es mir schon wieder blendend. Als ich allerdings aufstand, um mir aus der Küche einen Apfel zu holen, schwankte plötzlich die Welt, und ich musste mich schnell irgendwo festhalten. Auch das Sehen wollte noch nicht wieder zuverlässig funktionieren. Ganz abgesehen von diesen verfluchten Kopfschmerzen! Helles Licht konnte ich nach wie vor nicht vertragen.
    Der Apfel wurde schließlich im Liegen und nur zur Hälfte verzehrt. Dann war mir der Appetit schon wieder vergangen. Eine Weile lag ich ganz still, betrachtete zum ersten Mal seit Langem wieder die beiden silbern gerahmten Bilder, die über meinem Bett an der Wand hingen. Stiche, die meine Heimatstadt Karlsruhe zeigten und aus dem Haushalt meiner Eltern stammten, die natürlich beim Umzug nach Portugal vieles hatten aussortieren müssen. Ich fühlte, wie der Schwindel nachließ, die Kopfschmerzen schwächer und schwächer wurden, lauschte auf die Alltagsgeräusche von der Straße. Und dann wurde mir langweilig.
    Lesen kam nicht infrage, aber meine Mädchen hatten mir netterweise ein kleines Radio neben das Bett gestellt. Ein knatterbuntes, pausbäckiges Kinderradio mit erbärmlichem Ton. Ich fand einen Sender, der Musik brachte.
    Meine Gedanken trudelten ziellos herum. Das Gedudel im Radio war einschläfernd, aber ein anderer Sender ließ sich nicht sauber einstellen. Wencke Myhre gab mir den Rat, nicht in jeden Apfel zu beißen. Daraufhin aß ich auch die andere Hälfte meines kargen Frühstücks.
    Vor dem Fenster war es heute wieder so grau wie in den langen Wochen zuvor. Hin und wieder schien es ein wenig zu regnen. Meine Augenlider sanken herab. Und immer noch gelang es mir nicht, mich an den Namen des merkwürdigen Kerls vom Freitag zu erinnern. Oder daran, auf welchem Weg ich dorthin gelangt war, wo ich ziemlich genau vierundzwanzig Stunden später auf dem Gehweg …
    Auf dem Gehweg?
    Plötzlich war ich wieder wach. Ich tat alles Mögliche mit meinem Rad. Befuhr manchmal Einbahnstraßen in der falschen Richtung, missachtete sogar die eine oder andere rote Ampel. Aber niemals fuhr ich auf dem Gehweg. Zumindest nicht, wenn die Straße daneben so wenig befahren war wie die – wie hatte sie noch geheißen? Mir wurde klar, dass ich nicht einmal wusste, wo genau ich eigentlich verunglückt war. Neuenheim jedenfalls. Hanglage. Dort, wo die Häuser groß und die Grundstücke weitläufig waren. Dort, wo der wohlhabende Teil der Heidelberger Bevölkerung wohnte. Und immer wieder kehrten meine herumschweifenden Gedanken zu dem verrückten alten Kauz zurück, der angeblich seine Frau ermordet hatte.
    Wenn mir nur der Name endlich wieder eingefallen wäre!
    Irgendwann im Lauf des endlosen Vormittags rief ich, nur um wieder einmal eine menschliche Stimme zu hören, Sönnchen an und fragte sie, wie der Laden lief, so ohne den Chef. Ein winziges bisschen enttäuscht war ich schon, als sie gelassen erwiderte: »Keine Probleme. Alles im grünen Bereich.«
    Außerdem richtete sie mir bei dieser Gelegenheit von meinem Vorgesetzten und allen Kolleginnen und Kollegen die allerherzlichsten Genesungswünsche aus.
    »Würden Sie mir einen Gefallen tun, Sönnchen?«
    »Fast jeden.«
    »Würden Sie auf meinem Schreibtisch nachsehen, ob ich mir vielleicht den Namen dieses Kerls irgendwo notiert habe?«
    Das tat ich üblicherweise, da ich schon immer dazu geneigt hatte, während eines Gesprächs den Namen meines Gegenüber zu vergessen. Dieses Mal hatte ich es offenbar unterlassen, denn Sönnchen fand nichts.
    »Wie war das eigentlich, als er reinkam?«
    »Es hat geklopft, ziemlich laut, und dann ist er auch schon vor mir gestanden. Er will zu meinem Chef, hat er gesagt und mich ganz bös angeguckt. Ich hab gesagt, so geht das aber nicht. Er hat gesagt, doch, das geht, weil, es ist wichtig. Ich bin dann aufgesprungen, weil er einfach weitergehen wollt. Da hat er mich ganz finster angeguckt und gesagt, ich wär nicht die erste Frau, die er abmurkst.«
    »So hat er das gesagt? Abmurkst?«
    »Wörtlich. Und eine Sekunde später ist er bei Ihnen drin gewesen und hat mir fast noch die Tür an den Kopf geknallt.«
    Warum beschäftigte mich die kuriose Geschichte so?
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