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Die dunkle Seite des Sommers (German Edition)

Die dunkle Seite des Sommers (German Edition)

Titel: Die dunkle Seite des Sommers (German Edition)
Autoren: Stefanie Mohr
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und
streichelte ihm über den Kopf. »Da ist er einfach nur durch den Wald
gesprungen.«
    Nachdem sich Hackenholt noch die
Personalien des Rentners notiert hatte, verabschiedete er ihn, und der Senior
zog mit seinem noch immer angeleinten Hund von dannen. Der
Kriminalhauptkommissar stieg wieder aus dem Auto und machte sich auf den Weg
zurück in den Wald.
    »Brauchst du mich hier noch?«,
fragte er Christine Mur ein paar Minuten später.
    Sie schaute erstaunt auf. »Nein.
Was sollte es hier für dich noch zu tun geben?«
    Auf dem Weg ins Büro hielt
Hackenholt an einer Imbissbude in der Ostendstraße und bestellte sich eine
Pizza zum Mitnehmen, da die Kantine des Polizeipräsidiums am Wochenende
geschlossen blieb. Er konnte sich allenfalls in die davor gelegene Cafeteria
setzen, die sowieso nur aus ein paar Tischen und einem Süßigkeitenautomaten
bestand, und einen Schokoriegel essen – aber darauf konnte er gerne verzichten.
    Mit dem Pizzakarton bewaffnet
ging er in sein Büro im zweiten Stock. Zugegeben, die Pizza schmeckte wohl vor
allem deswegen so hervorragend, weil er immer wieder daran denken musste, wie
knapp er dem Essen beim Afrikaner entronnen war.
    Nachdem er sich gestärkt hatte,
griff er zum Telefonhörer, um die erforderlichen Gespräche mit der
Staatsanwaltschaft und der Pressestelle zu führen, die beide auch am Wochenende
einen Bereitschaftsdienst stellten, der informiert werden wollte. Dann begann
er die Vermisstenanzeigen im Computer durchzusehen. Zuerst mussten sie
herausbekommen, wer der Tote eigentlich war – auch wenn Hackenholt wenig
Hoffnung hegte, dass jemand einen Obdachlosen vermisst gemeldet hatte. Zu dünn
war deren soziales Netzwerk, und zu gerne sahen die Mitbürger weg, wenn sie
einem dieser verwahrlost wirkenden und zumeist nach Alkohol stinkenden Menschen
mit leerem Blick begegneten.
    Er sollte recht behalten: Zwei
Stunden und rund sechzig Vermisstenanzeigen später, zunächst aus Mittelfranken,
dann aus ganz Bayern, hatte er niemanden gefunden, auf den die Beschreibung des
Toten passte. Es blieb Hackenholt also nichts anderes übrig, als in den
Obdachlosenheimen anzurufen und nachzufragen, ob bei ihnen ein Bewohner
abgängig war. Im Telefonbuch suchte er erst die Nummer für das Männerwohnheim
des Sozialamts heraus und danach noch die der Heilsarmee. Gleich beim ersten
Anruf erfuhr er eine Ernüchterung: Der Heimleiter brach in schallendes
Gelächter aus, als Hackenholt ihn fragte, ob eines seiner Schäfchen
verschwunden sei.
    »Soll das ein Witz sein? Wir
haben zwanzig Übernachtungsmöglichkeiten für Männer in der Notschlafstelle. Wer
hier schlafen will, steht einfach vor der Türe. Unangemeldet. Und genauso
verschwindet er am Morgen wieder – ohne sich abzumelden. Manche kommen am
gleichen Abend wieder, manche suchen sich in einer anderen Einrichtung einen
Unterschlupf. Im Winter sind wir immer voll, im Sommer, wenn das Wetter passt,
schlafen viele lieber draußen. Bei unseren stationären Männern ist das
natürlich etwas anderes. Je nach Angebot wohnen die sechs Monate oder zwei
Jahre hier, aber von denen ist mir nicht zu Ohren gekommen, dass einer
verschwunden ist.«
    Auch die Beschreibung, die
Hackenholt von dem Toten geben konnte, half nicht, da er zu Größe, Gewicht,
Alter, Aussehen nur sehr vage Angaben machen konnte.
    »So kommen wir nicht weiter«,
stellte der Heimleiter fest. »Hat er denn nichts Auffälliges bei sich gehabt?
Einen Hut mit einer Blume? Oder vielleicht ein ungewöhnliches Rollwägelchen für
seine Taschen?«
    »Nein, wir haben leider gar
nichts gefunden.«
    »Das ist aber komisch. Die
meisten haben immer ihre gesamte Habe bei sich.« Der Mann dachte einen Moment
nach. »Und wie schaut es mit einem Schließfachschlüssel aus? Manchmal sperren
sie ihre Sachen am Bahnhof ein, wenn sie draußen schlafen. Das Wetter hat in
den letzten zwei, drei Tagen ja dafür gepasst.«
    Hackenholt verneinte. Auch einen
Schlüssel hatte Mur in den Kleidertaschen des Toten nicht entdeckt.
    »Tja, so am Telefon kann ich
Ihnen leider nicht weiterhelfen. Sie müssten mir schon ein Bild zeigen«,
erklärte der Heimleiter abschließend.
    Hackenholt dankte ihm und legte
auf. Auch bei seinem Gespräch mit dem Kapitän der Heilsarmee erging es ihm
keinen Deut besser. Resigniert seufzte er, als er auflegte. Dann musste er am
nächsten Tag eben den bei der Obduktion anwesenden Kriminaltechniker bitten,
ein paar Bilder vom Toten zu machen, die man herumzeigen konnte.
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