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Die dunkle Göttin

Die dunkle Göttin

Titel: Die dunkle Göttin
Autoren: Wolfgang David; Thon Weber
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nach allen Berichten, die Cassan zugetragen worden waren, hatte sich der Junge bei den Gelegenheiten, die sich ihm geboten hatten, recht gut gehalten. Trotz allem jedoch verfügte er nur über die Urteilsfähigkeit und Erfahrung eines Jünglings. Einem so jungen, unerfahrenen Mann konnte es viel leichter passieren, sich von Begeisterung oder übergroßer Zuversicht in ein Desaster leiten zu lassen, das ein älterer, weiserer Kopf möglicherweise vermieden hätte. Vor allem, wenn er einen guten Eindruck machen und das Vertrauen seines Onkels in ihn rechtfertigen wollte.
    Cassan hatte gehofft, Tellian möge so beunruhigt sein, dass er sein Truppenkontingent persönlich nach Kleinharrow führte – oder wenigstens diesen infernalischen, lästigen Wichtigtuer »Prinz Bahzell« als Repräsentanten entsendete. Das lag angesichts der Nähe des Grabens zu den Orten, an denen Dathian seine Überfälle durchführte, nahe. In beiden Fällen hätte sich Darnas’ Geschicklichkeit im Umgang mit Bogen und Arbalest als höchst nützlich erweisen können.
    Denn letzten Endes hätte nicht einmal Saratic freiwillig einen offenen Angriff gegen den Baron von Balthar gewagt. Unfälle dagegen kamen vor, vor allem, wenn Tellian darauf bestanden hatte – wie es eigentlich seine Gewohnheit war -, seine Männer persönlich anzuführen. Aber kein einfacher Lordhüter wäre bereit, den Mord an einem der vier mächtigen Barone des Königreiches zu riskieren. Die Strafe für einen solchen »Unfall«
wäre, gelinde gesagt, deutlich ausgefallen. König Markhos hätte mit Sicherheit die ermittelnden Magier der Krone ausgeschickt, um den Tod eines so großen Magnaten wie Tellian genauer zu untersuchen.
    Das war genau der Grund, warum Cassan Darnas in Saratics Dienste geschmuggelt hatte. Der Lordhüter des Goldenen Tales hielt Darnas nur für einen erfahrenen Kundschafter. Er hatte keine Ahnung, dass Sergeant Warshu vor einer unglücklichen Fehleinschätzung, die dazu geführt hatte, dass er in Ungnade gefallen war, ein Ausbilder in des Königs eigenem Regiment gewesen war. Darnas konnte mit einem Bogen aus hundert Meter Entfernung durch ein Nadelöhr treffen und mit der stählernen Armbrust, der Arbalest, ging er ebenso geschickt um. Wichtiger jedoch war, dass Darnas keinerlei Skrupel hatte, mit einem einen Meter langen Pfeil oder mit einem stahlverstärkten Bolzen einer Arbalest irgendeinen Baron zu durchbohren, wenn Cassan es ihm befahl.
    Es wäre so schön gewesen, dachte Cassan sehnsüchtig. Alle hätten durchaus mit Recht vermutet, Saratic sei der Hauptanstifter der Angriffe auf Festians Lordhüterschaft gewesen. Aber alle, die ihn kannten, wussten auch, dass er Tellian niemals vorsätzlich umbringen würde. Also wäre die einzige einleuchtende Annahme darauf hinausgelaufen, dass es sich tatsächlich um einen Unfall handelte. In diesem Fall hätte Cassans Einfluss vermutlich sogar ausgereicht, seinen Vasallen vor tödlichen Konsequenzen zu bewahren. Im anderen Fall wäre Saratic kein unersetzlicher Verlust gewesen, wie nützlich er auch hätte sein können, falls er überlebte. Cassan hätte dem Lordhüter sogar mit Freuden höchstpersönlich die Kehle durchgeschnitten, wenn dies der Preis für Tellians Tod gewesen wäre.
    Wäre Tellian »durch einen irregeleiteten Pfeil« bei einem eher unbedeutenden Grenzstreit zwischen kleineren, miteinander in Fehde liegenden Lordhütern zum Opfer gefallen, so hätte dies die Opposition im Kronrat auf eine Weise ihres Anführers beraubt, die es keinem erlaubt hätte, mit dem Finger
auf Cassan zu zeigen. Noch besser wäre gewesen, Tellians Tod hätte sogar die tiefe Krise in Balthar ausgelöst, vor deren Heraufziehen Cassans Anhänger und Günstlinge den Kronrat schon seit Jahren warnten. In diesem Fall wären einige seiner Anhänger wohl endlich bereit gewesen, den König zu drängen, der Werbung Rulths vom Schwarzenberge um Leeana Bogenmeisters Hand das königliche Siegel aufzudrücken. Unter diesen Umständen, vermutete Cassan, hätten die Chancen, dass König Markhos zustimmte, das Mädchen mit dem Lordhüter von Transhar zu verheiraten, drei zu eins gestanden. Der König durfte nicht riskieren, dass die Nachfolge in Balthar im Ungewissen blieb.
    Die Chance, Tellian ins Freie zu zerren und ihn zu töten, waren zwar immer gering gewesen, doch der Preis rechtfertigte sicherlich einen Versuch. Falls er Tellian nicht töten konnte, hoffte Cassan, dass Darnas zumindest »Prinz Bahzell« erledigte. Wenn der tot
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