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Die dunkle Göttin

Die dunkle Göttin

Titel: Die dunkle Göttin
Autoren: Wolfgang David; Thon Weber
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durch die Luft flog, legte er eine geradezu übernatürliche Beweglichkeit an den Tag. Er rollte sich mitten im Sturz zusammen, drehte seinen Körper und landete mit einer erstaunlichen Behändigkeit auf den Füßen. Sein Schwung ließ ihn nicht einmal weiterstolpern, und mit der Rechten schnappte er blitzschnell den Kinnriemen des Pferdes, bevor es ihm durchgehen konnte. Der Griff dieser Hand war ungeheuer stark: Das Pferd wieherte vor Panik, als es vergeblich versuchte, sich daraus zu befreien. Die andere Hand des Mannes fuhr hoch und packte … nicht etwa den Zügel, sondern die Kehle des Tieres. Mit derselben fürchterlichen Kraft schloss er die Finger und presste die Kehle des Pferdes zusammen. Das Wiehern des Tieres erstickte in einem entsetzten Laut – es wurde erbarmungslos auf die Knie gezwungen.
    Jetzt gab auch der Reiter ein Geräusch von sich, ein knurrendes, hungriges, so tierisch wie die Laute des Pferdes. Aber dies klang bösartiger, mehr wie das Grollen eines Raubtiers, und die Augen des Mannes glühten in einem grünlichen Feuer. Der Widerstand des Pferdes wurde schwächer und ein boshaft triumphierender Unterton färbte das Grollen des Mannes.
    » Hör auf! «
    Der Befehl kam von einer Stimme aus der Nebelbank im Rücken des Reiters. Sie sprach nicht sehr laut, doch in ihren Worten hallte eine unwiderstehliche Macht. Sämtliche anderen
Geräusche der Nacht verstummten schlagartig, furchtsam und voller Entsetzen vor dieser unendlich kalten und grausamen Stimme.
    Der Reiter richtete sich auf und ließ seine Linke von der Kehle des beinahe erstickten Tieres sinken, bevor er sich zum Nebel herumdrehte.
    » Narr!« Die Stimme klang abgründig verachtend. »Die nächste Siedlung liegt mindestens zehn Meilen entfernt. Wenn du so weit laufen möchtest, dann nur zu, vollende, was du gerade tust.«
    Der Reiter schien antworten zu wollen, überlegte es sich jedoch anders.
    »Klug, sehr klug« , sagte die Stimme. »Jetzt komm. Ich sorge dafür, dass deine Mähre bleibt, wo sie ist.«
    Der Reiter gehorchte, ohne das Pferd, das sich schwächlich zitternd bemühte, wieder auf die Beine zu kommen, auch nur eines weiteren Blickes zu würdigen.
    Er ging mit dem zielstrebigen Schritt eines Mannes, der trotz des fast schwarzen, alles verschlingenden Nebels ausgezeichnet sehen konnte … und er marschierte so zügig voran, als störe ihn der allgegenwärtige Leichengestank nicht. Dieses Odeur des Todes verstärkte sich zunehmend, je weiter er sich in den Nebel hineinbegab, bis er schließlich aus der Barriere hinaustrat und dabei eine Grenze zwischen dem Pesthauch und der frischen, klaren Luft überschritt. Diese Grenze war ebenso scharf gezogen wie diejenige, die er bei seinem Eintauchen in den Nebel überschritten hatte.
    Hätte er den Nebel auch nur eine Sekunde lang für natürlich gehalten, er wäre spätestens dann eines Besseren belehrt worden, als er auf die weite Fläche hinausging, die die Nebelbank umringte. Dieser geschützte Bereich war kreisförmig, maß mindestens zweihundert Meter im Durchmesser, und die Luft hier war ruhig und mild. Zudem gab es nicht einmal den kleinsten Nebelhauch. Die hellen Sterne funkelten darüber gut sichtbar am Himmel, doch trotz der klaren Luft war der
schreckliche Leichengestank hier sogar noch stärker und erstickender.
    Eine Frau, jedenfalls besaß das Wesen die Gestalt einer Frau, stand genau im Mittelpunkt des Kreises. Mit ihren mindestens zwei Meter fünfzig Körpergröße überragte sie den Reiter beträchtlich. Um sie scharten sich, wie ein Meer aus Pelzen, Reißzähnen und giftgrünen Augen, Hunderte von Wölfen. Merkwürdig schienen sie zu wabern und veränderten ihre Gestalt. Manchmal waren es Wölfe, dann wieder kauernde, missgebildete Formen, entfernt menschlich, aber mit Köpfen, die schweineähnliche Schnauzen besaßen oder mit Flügeln wie von Fledermäusen, die sie dicht an ihrem Rückgrat gefaltet hielten. Ihre Augen glühten in demselben boshaften Grün wie die des Reiters, ungeachtet, welche Form ihre Körper auch haben mochten. Derselbe grüne Glanz umhüllte die Frau, die in ihrer Mitte stand. Sie trug diese Aura wie eine zweite Haut – und wurde davon umgeben wie von einem Nimbus aus luftigem Eis.
    Dieser geheimnisvolle Umhang schimmerte in gedämpfter Brillanz und beleuchtete sie trotz der mondlosen Nacht. Sie stand dort, angetan mit einer Aura aus tödlicher Macht und verderbter Schönheit. Trotz der Volkommenheit ihrer Gesichtzüge, trotz ihres langen,
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