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Die Drenai-Saga 5 - Im Reich des Wolfes

Die Drenai-Saga 5 - Im Reich des Wolfes

Titel: Die Drenai-Saga 5 - Im Reich des Wolfes
Autoren: David Gemmell
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Seine Stimme klang entrückt. Er drehte sich noch einmal zu ihr um. »Du findest, daß ich dort zuviel Zeit verbringe?«
    »Nein«, sagte sie traurig. »Es geht nicht um die Zeit, die du dort sitzt. Auch nicht um die Sorgfalt, mit der du das Grab pflegst. Es geht um dich. Sie ist jetzt schon … fünf Jahre … tot. Du solltest wieder zu leben anfangen. Du brauchst … mehr als das.«
    Er nickte, aber sie wußte, daß ihre Worte ihn nicht erreicht hatten. Er lächelte und legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Eines Tages wirst du deine Liebe finden, und dann können wir unter gleichen Bedingungen miteinander reden. Das soll nicht herablassend klingen. Du bist aufgeweckt und intelligent. Du hast Mut und Witz. Aber manchmal ist es so, als würde ich versuchen, einem Blinden Farben zu beschreiben. Liebe hat große Macht. Selbst der Tod kann sie nicht zerstören. Und ich liebe Danyal noch immer.« Er beugte sich vor, zog Miriel an sich und küßte sie auf die Stirn. »Ich hoffe, du wirst eine solche Liebe finden. Und jetzt zieh das Tier ab. Wir sehen uns heute abend.«
    Sie sah ihm nach, wie er davonging, ein hochgewachsener Mann, der sich geschmeidig und vorsichtig bewegte, das schwarzsilberne Haar zu einem Zopf zurückgebunden, am Gürtel die Armbrust.
    Und dann war er fort – in den Schatten verschwunden.
     
    Der Wasserfall war schmal, nicht einmal zwei Meter breit. Er floß in einer glitzernden Kaskade über weiße Steine in einen blattförmigen Teich, der etwa zehn Meter lang und fünfzehn Meter breit war. An seinem südlichsten Punkt entsprang ein zweiter Wasserfall, von dem aus der Bach eilig drei Kilometer nach Süden floß, um dort in den Fluß zu münden. Goldene Blätter tanzten auf der Wasserfläche, und mit jedem Windhauch trudelte neues Laub von den Bäumen herab.
    Um den Teich herum wuchsen viele Blumen. Die meisten hatte der Mann gepflanzt, der neben dem Grab kniete. Er warf einen Blick zum Himmel empor. Die Sonne verlor allmählich ihre Kraft; die kalten Herbstwinde fuhren über die Berge. Waylander seufzte. Eine Zeit des Todes. Er blickte auf die goldenen Blätter, die auf dem Wasser trieben, und dachte daran, wie er hier an einem anderen Herbsttag vor zehn Lebzeiten mit Danyal und den Kindern gesessen hatte.
    Krylla hatte ihre winzigen Füßchen ins Wasser gehalten, Miriel schwamm zwischen den Blättern umher. »Sie sind wie die Seelen der Verstorbenen«, hatte Danyal Krylla erzählt. »Sie schweben auf dem Meer des Lebens zu einem Ort der Ruhe.«
    Er seufzte noch einmal und wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem blumengeschmückten Hügel zu, unter dem alles lag, wofür er gelebt hatte.
    »Miriel hat heute mit einem Löwen gekämpft«, erzählte er. »Sie hat sich ihm gestellt und ist nicht in Panik geraten. Du wärst stolz auf sie gewesen.« Er legte die Armbrust mit den Ebenholzgriffen beiseite und pflückte müßig die verwelkten, roten Blüten von den Geranien, die vor dem Grabstein wuchsen. Der Sommer war schon weit fortgeschritten, und es war unwahrscheinlich, daß sie noch einmal blühen würden. Bald mußte er sie herausziehen, die Wurzeln trockenschütteln und sie in die Hütte hängen, damit er sie im Frühling wieder einpflanzen konnte.
    »Aber sie ist noch immer zu langsam«, fügte er hinzu. »Sie handelt so, wie sie es gelernt hat, und nicht aus Instinkt. Nicht wie Krylla.« Er lachte in sich hinein. »Erinnerst du dich, wie die Dorfjungs sich um sie scharten? Sie wußte, wie sie mit ihnen umgehen mußte, die Neigung des Kopfes, das schmollende Lächeln. Das hat sie von dir gehabt.«
    Er streckte die Hand aus, berührte den kalten, rechteckigen marmornen Grabstein und fuhr mit dem Zeigefinger die eingemeißelten Worte nach.
     
    Danyal
, Gattin von Dakeyras, ein Kieselstein im Mondschein
     
    Das Grab war von Ulmen und Buchen beschattet, und in der Nähe wuchsen Rosen, deren riesige gelbe Blüten die Luft mit ihrem süßen Duft erfüllten. Er hatte sie in Kasyra gekauft, sieben Büsche. Drei waren auf der Rückreise eingegangen, doch die anderen gediehen in dem satten Lehmboden prächtig.
    »Ich werde Miriel bald in die Stadt bringen müssen«, sagte er. »Sie ist jetzt achtzehn, und sie muß lernen. Ich werde einen Mann für sie suchen.« Er seufzte. »Das heißt, ich muß dich für eine Weile verlassen, und ich kann nicht sagen, daß ich mich darauf freue.«
    Die Stille wuchs; selbst der Wind in den Blättern erstarb. Seine dunklen Augen blickten in die Ferne, seine Erinnerungen
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