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Die Drachenkämpferin 02 - Der Auftrag des Magiers

Titel: Die Drachenkämpferin 02 - Der Auftrag des Magiers
Autoren: Licia Troisi
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Licht des Morgengrauens kam ihm diese Mission noch aussichtsloser vor.
    Sein Pferd war bereits gesattelt, doch Sennar zögerte, sich hinaufzuschwingen. Noch ist Zeit. Noch kann ich umkehren und den Räten erklären, dass es wohl ein Fehler war, dass ich mich geirrt und meine Meinung geändert habe. . .
    Er blickte sich um. Keine Menschenseele war zu sehen. Alles schlief. Der richtige Zeitpunkt, die passenden Bedingungen, um sich auf die Reise zu machen. Ohne Abschied. Instinktiv führte er eine Hand zu der Narbe auf seiner Wange. Dann nahm er die Zügel in die Hand und machte sich auf den Weg.
    Zunächst würde ihn die Reise in das Land des Meeres führen, wo er sich Seeleute suchen musste, die es wagten, mit ihm den Ozean zu befahren.
    Es war das Land, in dem er geboren war und das er mit acht Jahren verlassen hatte, um seiner Lehrmeisterin Soana in das Land des Windes zu folgen. Seit damals er war nur selten heimgekehrt, denn es war eine lange und beschwerliche Reise.
    Zwei Jahre war Sennar nicht mehr zu Hause gewesen.
    Aber nun, da er an einem Wendepunkt seines Lebens stand, verspürte er den Wunsch, seine Mutter noch einmal zu sehen.
    Es war schon später Morgen, als er in Phelta, seinem Heimatdorf, eintraf.
    Am Himmel hingen schwere schwarze Regenwolken, ein Gewitterhimmel, der wie eine Glocke die wenigen Häuser seines Dorfes überspannte. Kein Mensch war auf der Straße, anscheinend hatten sich alle in Erwartung des Unwetters in ihre Häuser verkrochen. Die Luft war feucht, und Sennar sog den starken, durchdringenden Geruch des Meeres, der bis in das Hinterland wehte, tief ein.
    Das Dorf bestand aus einigen gemauerten Häusern, die mit den für die Gegend typischen Strohdächern gedeckt und von robusten Holzzäunen eingefasst waren. Es war ein kleines Dorf mit nicht mehr als zweihundert Bewohnern, und alles sah einfach und bescheiden aus. Die Häuser drängten sich dicht aneinander wie eine Schar verängstigter Kinder in einem fremden Land. Sennar verband nur wenige Erinnerungen mit diesem Dorf. Zwar war er dort geboren, doch die meiste Zeit hatte er mit seiner Familie im Kriegsgebiet gelebt. Nur wenige Male im Jahr, wenn sein Vater Urlaub bekam, waren sie heimgekommen, und nur dann hatte er an alte Verbindungen anknüpfen und seine Freunde wiedersehen können. Dennoch war dies sein Zuhause. Seine Heimat. Sein Vaterland.
    Bevor er seine Mutter aufsuchte, wollte er sich noch ein wenig umsehen. Er verspürte das Bedürfnis, sich mit diesem Ort wieder vertraut zu machen, über das Pflaster seiner Kindheit zu laufen, die altbekannten Gerüche in der Nase zu spüren, an den Häusern mit dem von der Seeluft bröseligen Putz entlangzustreifen. So schlenderte er durch die engen gewundenen Gassen, verweilte ein wenig auf dem winzigen Dorfplatz, wo an Festtagen ein Markt abgehalten wurde, stand eine Zeit lang auf dem Landungssteg, der wie eine schmale hölzerne Zunge in die See ragte. Und mit einem Mal sah er alles um sich herum so, wie er es als Kind wahrgenommen hatte, und eine Vielzahl verschütteter Erinnerungen überwältigte ihn: verschwommene Bilder von Spielen zwischen den Häusern, von längst aus den Augen verlorenen Freunden, von den kleinen Freuden der Kindheit. Kurz, von den Dingen, die er vielleicht zu rasch vergessen hatte.
    Der Gedanke, seine Mutter wiederzusehen, ließ sein Herz höherschlagen. Als er vor ihrer Tür stand, drang von innen das Klappern von Geschirr zu ihm. Er zögerte einen Moment und klopfte dann an.
    Ihm öffnete eine schmächtige Frau mit einem Gesicht voller Sommersprossen, die seit ihrer letzten Begegnung merklich gealtert war. Sie trug ein schlichtes schwarzes Kleid, wie es arme Leute tragen, die ihr einziges Gewand ewig flicken und stopfen, das jedoch von einem Spitzenkragen verziert wurde. Ihr zu einem losen Knoten zusammengefasstes Haar, früher einmal genauso feuerrot wie das ihres Sohnes, war von weißen Strähnen durchzogen. Ihre Augen jedoch hatten sich seit ihren Mädchentagen nicht verändert. Sie waren von einem lebhaften, munteren Grün und leuchteten sofort auf, als sie Sennar erblickte. »Mein Sohn, wie schön, dass du wieder da bist!«, rief sie und schloss ihn fest in die Arme.
    Frische Blumen auf dem Tisch, Spitzendeckchen auf den Möbeln, eine tadellose Sauberkeit: Sennar erkannte die Sorgfalt wieder, mit der sich seine Mutter auch um die kleinsten Dinge im Haus kümmerte.
    Als sie sich von ihm gelöst hatte, machte sie sich umgehend am Küchenherd zu schaffen und
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