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Die Drachenkämpferin 01 - Im Land des Windes

Titel: Die Drachenkämpferin 01 - Im Land des Windes
Autoren: Licia Troisi
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sollten.
    Wie bei vielen Handwerkern in Salazar war auch Livons Werkstatt gleichzeitig sein Wohnhaus: Auf diese Weise sparte man Zeit und Mietkosten. Der einzige Nachteil war das Durcheinander, das noch verschlimmert wurde durch das Fehlen einer ordnenden weiblichen Hand, die diesen Namen verdient hätte. Obendrein war Livon Waffenschmied und sein Haus daher voller Gerätschaften und Waffen, Metallresten und Kohlestücken.
    Nihal zog die Tür auf. »Ich bin wieder da!«, verkündete sie mit lauter Stimme. »Und ich hab mächtig Hunger.«
    Ihre Worte gingen im Lärm fast unter. Livon stand in einer Ecke und war damit beschäftigt, mit einem schweren Schmiedehammer auf ein glühendes Stück Eisen einzuschlagen, während ein Meer von Funken aufstob und in Kaskaden auf den Fußboden niederging. Er war ein Mann von imponierender Gestalt. Nur seine Augen leuchteten unter den rabenschwarzen Haaren in einem rußgeschwärzten Gesicht, das wie ein Stücke Kohle wirkte.
    »He, Alter!«, rief Nihal jetzt noch einmal, mit allem, was ihre Lungen hergaben. »Ach, da bist du ja«, antwortete Livon, indem er innehielt und sich den Schweiß von der Stirn wischte. »Ich hatte schon auf dich gewartet, aber als du nicht kamst, habe ich mich noch mal an die Arbeit gemacht. Bis morgen muss ich damit fertig sein.« »Dann hast du also gar nichts zu essen gemacht?«
    »Nein. Aber es war auch ausgemacht, dass du einmal in der Woche die Küche übernimmst.«
    »Ja, schon, aber gerade heute bin ich so müde.«
    »Warte, warte, du brauchst mir gar nichts zu erzählen. Ich wette, du warst wieder mit deinen Freunden, diesem wilden Haufen, unterwegs.«
    Schweigen.
    »Und wie gewöhnlich bei den verlassenen Häusern.« Weiter Schweigen. »Und womöglich seid ihr schließlich zum tausendsten Male in Baars Gemüsegarten gelandet ...«
    Nihal fühlte sich ertappt. Immer noch schweigend, öffnete sie die Speisekammer und nahm sich einen Apfel.
    »Ist schon gut. Mir reicht etwas Obst«, erklärte sie, während sie langsam, bemüht unbefangen, den Rückzug antrat.
    »Verflixt noch mal, Nihal! Wie oft habe ich dir schon gesagt, du sollst nicht unten in den Gärten spielen? Hier stehen ständig Leute vor der Tür, die sich über dich beschweren und Gratisreparaturen von mir verlangen!«
    Mit betretener Miene nahm Nihal Platz. »Was soll ich denn machen ... ? Wenn man kämpft ...«
    Unwirsch stieß Livon die Luft aus und machte sich dann daran, ein wenig Gemüse aus der Speisekammer zu zerkleinern. »Komm mir doch nicht mit diesem Unsinn. Wenn du spielen willst, so spiel ... Aber ohne anderen Leuten zur Last zu fallen!« Nihal verdrehte die Augen: Immer wieder die gleiche Leier ...
    »Ach, halt mir doch keine Predigten, Alter ...«
    Der Mann warf ihr einen gekränkten Blick zu. »Du könntest mich ruhig wenigstens ab und zu mal ›Vater‹ nennen.«
    Ein spitzbübisches Lächeln huschte über Nihals Gesicht. »Jetzt kommt schon, Vater. Ich weiß doch, es freut dich, dass ich ganz gut mit dem Schwert umgehen kann ...« Mürrisch stellte Livon einen Teller rohen Gemüses vor ihr auf den Tisch. »Soll das unser Mittagessen sein?«
    »Ja, das ist doch genau das Richtige für junge Damen, die es sich in den Kopf gesetzt haben, sich wie ein halber Junge aufzuführen. Würdest du dich an unsere Absprachen halten, hätten wir jetzt auch etwas Warmes auf dem Tisch.«
    Er rückte sich einen Stuhl heran und begann zu essen, kaute eine Weile nachdenklich vor sich hin und hob dann wieder an: »Nein, Nihal, das stimmt nicht, es freut mich keineswegs ...«
    Nihal kicherte in sich hinein. Einige Augenblicke konnte sich Livon noch zurückhalten, dann begann auch er zu lachen.
    »Schon gut. Du hast Recht. Mir gefällt es, wie du bist ... Ich bewundere dich. Aber für andere Leute ... Überleg mal, du bist jetzt schon dreizehn, früher oder später muss sich eine Frau auch übers Heiraten Gedanken machen!«
    »Wer sagt denn das? Ich denke überhaupt nicht daran, den ganzen Tag zu Hause zu hocken und zu stricken. Ich will ein Krieger werden!«
    »Es gibt keine weiblichen Krieger«, erwiderte Livon, doch seine Stimme verriet einen kaum verhohlenen Stolz.
    »Dann werde ich eben der erste sein.«
    Livon lächelte und fuhr seiner Tochter durchs Haar.
    »Es ist schon nicht leicht mit dir! Und manchmal denke ich, du hättest wirklich eine Mutter gebraucht ...«
    »Ist doch nicht deine Schuld, dass Mutter gestorben ist«, entgegnete Nihal ganz unbefangen.
    »Nein.« Livon errötete.
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