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Die Chronistin

Die Chronistin

Titel: Die Chronistin
Autoren: Julia Kröhn
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fallen?«
    Ein faulig-süßer Duft durchzog die Krypta – die Blüten rochen so wie ein Leib, der zu verwesen beginnt, wiewohl dem Leichnam selbst kein Gestank entströmte.
    Sophia konnte nicht aufhören zu sprechen.
    »Weißt du, dass du es warst, die mich mit Frère Guérin zusammengeführt hat? Vereint waren wir im Trachten, an deiner Ehe mit dem König festzuhalten. Dass er damit scheiterte, ließ ihn so sehr verzweifeln, dass er sich an mich warf. Und so begann das Unheil. Oder schlicht das Leben, das ich leben musste. Ich glaube, ich hätte ihn lieben können, viel mehr als er mich. Und war es anders gewesen, so hätte es mir auch nicht geholfen – er hätte es ja doch niemals bekennen können, es niemals eingestehen. Sein Amt stand ihm im Weg. Was wäre er ohne sein Amt gewesen? Was aber war er mit ihm?«
    Sophia hörte Stimmen hinter sich, Schritte, die die Treppe herabkamen. Die schlafende Schwester schnarchte davon ungestört, sie selbst jedoch trat hastig von der Toten weg. Der Abschied von Isambour war besiegelt, und sie wollte nicht dabei gesehen werden, am wenigsten von Cathérine, deren raunzende, stets beleidigt klingende Stimme sich unter die der Kommenden mengte. Gewiss würde sie zu nörgeln beginnen und der Mutter falsche, scheinheilige Trauer vorwerfen, wenn sie sie hier entdeckte.
    Sophia blickte sich in der dunklen Krypta um, wo sie sich am besten verbergen könnte. Noch ehe die Schwestern den Raum erfüllten, zwängte sie sich in einen kleinen Spalt, nicht weit von Isambours totem Körper. Zu ihrem Erstaunen fand sie mehr Platz, als sie vermutet hatte – ein kleiner Hohlraum war dahinter, der direkt unter dem Altar zu liegen schien.
    Den Kopf gesenkt, war sie blind für die Gestalten, die die Aufgebahrte umstellten. Sie sah nicht, wie sich ihre Gesichter überrascht verzogen, und gewahrte ihr Erstaunen erst, als sie viel aufgeregter zu tuscheln begannen, als es diese ernste Stunde gebot.
    »Seht ihr das?«, stieß Cathérine aus. »Alles ist übervoll mit Blütenblättern – und doch habe ich in der letzten Stunde keinen kommen oder vondannen schreiten sehen!«
    Abfällig schüttelte Sophia den Kopf. Warum musste es stets die Tochter sein, die als erste auf nüchterne Überlegung verzichtete?
    »Wer aber hat dann diese Blumen gebracht?«, warf eine der anderen Schwestern ein.
    »Ja eben, die Blumen!«
    »Rosen sind’s!«, kreischte Cathérine. »Die Rosen, die die Königinwitwe so geliebt hat. Erinnert euch daran, wie sie tagelang im kleinen Klostergarten gesessen hat!«
    Hektisch trat sie vor, packte die schnarchende Schwester bei den Schultern und rüttelte sie wach. »Ma Sœur, ma Sœur! Wer hat die Blumen gebracht?«
    Sophia verdrehte die Augen.
    Die eben noch Schlafende fuhr hoch.
    »Ich bin eingeschlafen«, stammelte sie, doch weil sie die strengen Blicke fürchtete, fügte sie sogleich hinzu: »Doch nicht aus Müdigkeit, sondern weil gar plötzlich... oh, ihr müsst mir glauben!... Es kam eine Gestalt, groß gewachsen und hell... Kaum dass ich sie erblickte, schwanden mir die Sinne. Doch ich war nicht der Dunkelheit anheim gegeben, ich habe von der Gestalt geträumt... sie hat mit der toten Königin gesprochen.«
    »Oh mein Gott, wir müssen die Mutter Äbtissin holen!«, rief eine der Schwestern, und schon fielen die anderen ihr ins Wort.
    »Ein Wunder ist es! Ein Wunder! Gott selbst hat seiner Heiligen gedacht und einen Engel geschickt, um Blumen auf ihren Leib zu streuen!«
    »Ei gewiss! Und wieder zurück zum Himmel schreitend, hat er ihre edle Seele mitgenommen.«
    »Ja, ihre edle Seele, heilig und rein! Schon kommen die Kranken zu unserer Pforte und wünschen Genesung zu erfahren im Gebet an unsere Isambour!«
    »Vielleicht hat der Engel auch gar nicht die Blüten gebracht – vielleicht hat er geweint und seine Tränen haben sich in Rosen verwandelt!«
    »So ist es!«, beharrte die vormals schnarchende Schwester. »Genauso verhält es sich! Die Lichtgestalt hat meine Lider niedersinken lassen, auf dass ich nicht Zeugin des Himmlischen werde. Meine Seele hätte dem nicht standgehalten. Zerborsten wäre sie!«
    Sophia neigte sich nach vorne und erspähte erstmals die aufgeregt Rufenden, indessen kleine Steinbröckelchen auf sie hinab regneten. Einige der Schwestern waren zu Boden gesunken.
    Welch ein Irrwitz!, dachte sie gereizt. Welcher Wahn!
    Zugleich war sie zu müde, ihn zu unterbrechen. Was nützte es ihr, Isambours Heiligkeit anzutasten? Wenn Heiligkeit das war, das von
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