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Die Chorknaben

Die Chorknaben

Titel: Die Chorknaben
Autoren: Joseph Wambaugh
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Sklavenhändler, der nachts ängstlich auf die Schritte der Eingeborenen an Deck lauscht. In diesem Augenblick – es war ein heißer Augustnachmittag, und die an dem Mord beteiligten Polizisten schwitzten in den Verhörräumen der Abteilung für interne Angelegenheiten – entschied sich Commander Moss für eine Methode, die er für die wirksamste im Umgang mit Presseleuten hielt, welche verspätet vielleicht doch noch Wind von der Leiche im MacArthur-Park bekamen. Er wartete gar nicht erst ab, von seinen Feinden angerufen zu werden, die seiner Meinung nach für ein linksgerichtetes Hetzblatt arbeiteten. Er rief seinen Lieblingsreporter bei der Konkurrenzzeitung an, nachdem er in Erfahrung gebracht hatte, daß dieser aus einer anderen Quelle von dem Vorfall wußte.
    »Ich wollte, daß Sie über alles Bescheid wissen, sobald ich über das volle Ausmaß des Vorfalls unterrichtet bin«, lächelte Commander Moss in den Telefonhörer hinein. »Allem Anschein nach hatte ein Beamter außerhalb der Dienstzeit gegen zwei Uhr morgens im MacArthur-Park mit seiner Waffe einen Unfall. Ich hoffe nur, daß dieser bedauerliche Vorfall im Interesse der siebentausend zuverlässigen Jungs und Mädels in dieser Abteilung möglichst wenig breitgetreten wird. Ja natürlich; das Ganze ist wirklich sehr tragisch. Ein junger Mann mußte mit seinem Leben bezahlen. Ja. Ein Beamter ist bis auf weiteres vom Dienst suspendiert. Ja, ja, es deutet einiges darauf hin, daß Alkohol im Spiel war. Ich weiß nicht; vielleicht ist ihm die Waffe aus der Hand gefallen, so daß sich ein Schuß gelöst hat. Das kann ich bislang noch nicht mit Gewißheit sagen. Er ist schon fast fünf Jahre bei der Polizei. Vietnamkämpfer. Richtig. Ja, es deutet einiges darauf hin, daß er sich in Gesellschaft von einigen Freunden befand. Im übrigen besteht berechtigter Grund zu der Annahme, Pete, daß ein paar Polizisten einen Kasten Bier gekauft haben und es sich auf dem Nachhauseweg im Park gemütlich gemacht haben, um ein bißchen zu plaudern. Ja, genau, das ist ein eines Polizisten unwürdiges Verhalten. Was, Singstunde? Nein, ich glaube nicht, daß ich davon schon einmal was gehört habe. Singstunde? Nein, nie davon gehört.«
    Nachdem der Reporter aufgehängt hatte, lehnte Commander Moss sich in seinem Sessel zurück und legte seine Beine auf den Schreibtisch, der übrigens ganze zwei Quadratzentimeter größer war als Chief Lynchs Spezialanfertigung. Und dann sagte er zu seiner Sekretärin: »Ich weiß natürlich, daß das nicht die erste Singstunde im Park war. Ich würde nur zu gern wissen, was die Kerle während der anderen getrieben haben.«

 

    4
    Sergeant Nick Yanov
    I n Wirklichkeit hatten im MacArthur-Park Dutzende von Singstunden stattgefunden, denen regelmäßig zehn Polizisten beiwohnten, die zwar im Wilshire-Revier stationiert waren, aber für ihre Zusammenkünfte den MacArthur-Park ausersehen hatten, weil er zur Rampart-Station gehörte. Sie waren der Auffassung, man sollte lieber nicht in sein eigenes Nest scheißen.
    Die erste Singstunde im MacArthur-Park wurde zu Beginn des Frühjahres abgehalten, als die Abende dafür warm genug wurden. Die meisten der Chorknaben waren frei und ungebunden. Darauf legte Harold Bloomguard, die treibende Kraft hinter den Singstunden im MacArthur-Park, besonderen Wert. Harold bestand darauf, daß keine verheirateten Männer in die Gruppe aufgenommen wurden, da sie früher nach Hause gehen mußten, und solche Leute waren der Tod einer jeden gelungenen Singstunde.
    »Die Lieder dürfen nicht zum Verstummen kommen!« pflegte Harold es immer auszudrücken.
    Natürlich sang in diesen Singstunden niemand. Diese ›Lieder‹ waren etwas anderer Natur, wenn sie vielleicht auch demselben Zweck dienten wie wirklicher Chorgesang. Auf den verschiedenen Revieren kursierten die unterschiedlichsten Bezeichnungen für diese Treffen, zu denen sich, meistens an einem abgeschiedenen Ort, nach Dienstschluß die Polizisten versammelten, die von ihrer Arbeit noch zu angespannt und aufgedreht waren, um einfach nach Hause gehen und sich ins Bett legen zu können, während ihre Nervenenden noch voll unter Strom standen. Um eine Polizistenkneipe aufzusuchen, mangelte es einigen an Geld, obwohl das starke Bedürfnis vorhanden war, sich bei einem Drink zu entspannen und mit den anderen zu unterhalten, die die Nacht auf den Straßen verbracht hatten. Und um sich gegenseitig wieder zu bestärken. Sergeant Nick Yanov hätte während der fünf
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