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Die Chirurgin

Die Chirurgin

Titel: Die Chirurgin
Autoren: Tess Gerritsen
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gestillt werden. Die wahrscheinlichste Ursache war eine Ruptur der Milz oder der Leber.
    Das Bauchfell wölbte sich unter dem Druck des Blutes.
    »Das wird jetzt eine ziemliche Sauerei«, warnte sie die anderen, während sie die Klinge ansetzte. Obwohl sie auf den Schwall gefasst war, ließ der erste Schnitt in das Bauchfell eine derart explosive Fontäne hervorschießen, dass sie einen Anflug von Panik verspürte. Das Blut bespritzte die Tücher und triefte zu Boden. Es klatschte auf ihren Kittel und durchtränkte ihre Ärmel, als wäre sie in ein warmes, nach Kupfer riechendes Bad gestiegen. Und immer noch quoll es in einem samtigen Strom hervor.
    Sie setzte Wundspreizer ein und erweiterte die Wundöffnung, um ein größeres Arbeitsfeld zu bekommen. Littman führte den Absaugkatheter ein. Das Blut floss gluckernd in die Röhre und sprudelte als leuchtend roter Strom in den Glasbehälter.
    »Mehr Kompressen!«, schrie Catherine, um das Heulen der Absaugvorrichtung zu übertönen. Sie hatte schon ein halbes Dutzend der saugfähigen Kissen in die Wunde gestopft und zugesehen, wie sie sich auf wundersame Weise rot verfärbt hatten. Innerhalb von Sekunden waren sie vollgesogen. Sie zog sie heraus und setzte frische ein, die sie auf alle vier Quadranten verteilte.
    Eine Schwester meldete: »Ich sehe Extrasystolen auf dem Schirm!«
    »Mist, ich habe schon zwei Liter abgesaugt«, sagte Littman.
    Catherine sah rasch nach oben und stellte fest, dass aus zwei Beuteln Null-Negativ-Blut und frisch gefrorenes Plasma rapide in die Infusionsschläuche tropfte. Es war, als ob man Blut in ein Sieb gösse. Rein in die Venen, raus aus der Wunde. Es gelang ihnen nicht, Schritt zu halten. Sie konnte keine Gefäße abklemmen, die in einem See von Blut versunken waren; sie konnte nicht blind operieren.
    Sie nahm die schweren, triefenden Kompressen heraus und ersetzte sie durch neue. Für wenige, kostbare Sekunden konnte sie sich orientieren. Das Blut sickerte aus der Leber, aber es war auf den ersten Blick keine Verletzung zu erkennen. Vielmehr schien es, als trete das Blut aus der gesamten Oberfläche des Organs aus.
    »Ich verliere seinen Blutdruck!«, rief eine der Schwestern.
    »Klemme!«, befahl Catherine, und sofort wurde ihr das Instrument in die Hand gedrückt. »Ich versuche es mit einem Pringle-Manöver. Barrows, tun Sie noch mehr Kompressen hinein!«
    Der aufgeschreckte Medizinstudent griff nach dem Tablett und stieß dabei den ganzen Stapel Laparotomie-Kompressen um. Entsetzt sah er zu, wie sie zu Boden kullerten.
    Eine Schwester riss eine neue Packung auf. »Die gehören in den Patienten und nicht auf den Fußboden!«, fuhr sie ihn an. Und dann trafen sich ihre und Catherines Blicke; ein und derselbe Gedanke spiegelte sich in den Augen beider Frauen.
    Und der soll mal Arzt werden?
    »Wo soll ich sie denn hintun?«, fragte Barrows.
    »Sie sollen mir einfach freie Sicht verschaffen; ich kann bei dem ganzen Blut nichts erkennen.«
    Sie gab ihm ein paar Sekunden, um die Kompressen in die Wunde einzusetzen, dann griff sie hinein und zerriss das kleine Bauchnetz. Indem sie die Klemme von der linken Seite her führte, konnte sie die Leberpforte identifizieren, durch welche die Leberarterie und die Pfortader führten. Es war nur eine provisorische Lösung, doch wenn es ihr gelang, den Blutstrom an dieser Stelle zu unterbinden, dann würde sie vielleicht den gefährlichen Blutverlust unter Kontrolle bekommen. Damit hätten sie wertvolle Zeit gewonnen, um den Blutdruck zu stabilisieren und mehr Blut und Plasma in den Kreislauf pumpen zu können.
    Sie presste die Klemme zusammen und unterband so den Blutstrom aus den Lebergefäßen.
    Zu ihrer Bestürzung floss das Blut unvermindert weiter aus der Wunde.
    »Sind Sie sicher, dass Sie die Leberpforte erwischt haben?«, meinte Littman.
    »Ich weiß es. Und ich weiß, dass es nicht aus dem Retroperitoneum kommt.«
    »Vielleicht die Lebervene?«
    Sie nahm zwei Kompressen vom Tablett. Dieses nächste Manöver war ein letzter Ausweg. Sie legte die Kompressen auf die Oberfläche der Leber und begann das Organ mit beiden Händen zusammenzudrücken.
    »Was macht sie da?«, fragte Barrows.
    »Leberkompressionen«, antwortete Littman. »Manchmal kann man damit die Ränder von verborgenen Risswunden schließen. Das verzögert das Ausbluten.«
    Jeder Muskel in ihren Schultern und Armen spannte sich an, so angestrengt war sie bemüht, den Druck aufrechtzuerhalten, sich der Flut entgegenzustemmen.
    »Es
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