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Die Büchse der Pandora

Die Büchse der Pandora

Titel: Die Büchse der Pandora
Autoren: Agatha Christie
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einstudiert, und auch Albert hatte seine Instruktionen. Im Nebenzimmer befanden sich Tuppence, eine Schreibmaschine, die unentbehrlichen Tische und Stühle, von etwas geringerer Qualität als die im Zimmer des Chefs, sowie ein Gaskocher, um den Tee zuzubereiten. Nichts fehlte – außer den Klienten.
    In der Begeisterung der ersten Tage machte Tuppence sich die größten Hoffnungen.
    »Es wird großartig«, erklärte sie. »Wir werden Mörder zur Strecke bringen, verlorene Familienjuwelen entdecken, Vermisste wiederfinden, Diebe und Hochstapler entlarven.«
    Tommy fühlte sich verpflichtet, ihren Überschwang zu dämpfen: »Beruhige dich und vergiss die Romane, die du so gern liest. Unsere Kundschaft – wenn wir überhaupt welche haben werden – wird aus Ehemännern bestehen, die ihre Gattinnen überwachen lassen möchten, und aus Gattinnen, die ihren Männern nicht mehr über den Weg trauen. Beweismaterial für Scheidungen heranzuschaffen – das ist das tägliche Brot eines Privatdetektivs.«
    »Pah!«, rief Tuppence und rümpfte die Nase. »Mit Scheidungsgeschichten wollen wir nichts zu tun haben! Wir müssen das Niveau unseres neuen Berufes heben.«
    »Ja-a.« Ihr Mann schien nicht sehr viel von ihrem Vorschlag zu halten.
    Und nun, eine Woche nach der Eröffnung, verglichen sie ihre Notizen mit recht kläglichen Mienen.
    »Drei blöde Frauen, deren Männer jedes Wochenende verreisen«, seufzte Tommy. »Ist jemand gekommen, während ich beim Mittagessen war?«
    »Ein dicker, alter Mann mit einer flatterhaften Frau«, sagte Tuppence. »Seit Jahren lese ich in der Zeitung, dass die Scheidungssucht um sich greift; aber recht begriffen hab ich das erst in der letzten Woche. Ich habe es satt, herzubeten: ›Wir übernehmen keine Scheidungsangelegenheiten.‹«
    »Wir haben das jetzt in unseren Anzeigen besonders vermerkt«, beruhigte Tommy sie.
    »Dabei sind unsere Anzeigen so verlockend…« Ihre Stimme klang ganz melancholisch. »Wie dem auch sei, ich gebe mich nicht geschlagen. Wenn nötig, begehe ich selbst ein Verbrechen, und du wirst es aufdecken!«
    »Was hätten wir schon davon? Denk an meine Gefühle, wenn ich dir vor dem Gefängnistor ein zärtliches Lebewohl zuwinken muss!«
    »Nun«, meinte Tuppence, »etwas muss geschehen. In uns schlummern große Talente, und wir können sie nicht verwenden!«
    »Ich liebe deinen erfrischenden Optimismus! Du scheinst ja keine Zweifel an deiner außerordentlichen Begabung zu hegen.«
    »Warum sollte ich!«, sagte Tuppence und riss erstaunt die Augen auf.
    »Dabei verfügst du über gar keine Fachkenntnisse.«
    »Doch! Ich habe alle Detektivgeschichten gelesen, die in den letzten zehn Jahren erschienen sind.«
    »Ich auch«, sagte Tommy. »Aber ich habe das Gefühl, dass uns das nicht viel helfen wird.«
    »Du warst schon immer ein Pessimist, Tommy. Selbstvertrauen, das ist der Schlüssel zum Erfolg.«
    »Ein Glück, dass du genug davon hast.«
    »In Detektivgeschichten ist das alles natürlich ganz einfach«, überlegte Tuppence. »Da rollt man die Sache vom Ende her auf. Wenn man die Lösung kennt, kann man die Knoten schürzen, wie man will. Ja, wenn man…« Sie unterbrach sich und runzelte die Stirn.
    »Nun?«, forschte Tommy neugierig.
    »Ich glaub, ich habe so etwas wie eine Idee«, flüsterte sie. »Warte, sie hat noch keine feste Gestalt angenommen, aber sie formt sich…« Sie erhob sich entschlossen. »Ich gehe fort, um mir den Hut zu kaufen, von dem ich dir erzählt habe.«
    »O Gott«, rief Tommy, »noch einen Hut?«
    »Es ist ein sehr hübscher Hut«, erklärte Tuppence würdevoll und verließ mit entschlossener Miene den Raum.
    Im Laufe der nächsten Tage erkundigte sich Tommy ein paar Mal danach, was aus ihrer großartigen Idee geworden sei. Seine Frau schüttelte aber bloß den Kopf und bat ihn, ihr noch etwas Zeit zu lassen.
    Dann kam der glorreiche Morgen, an dem der erste Klient erschien. Damit war alles andere vergessen.
    Jemand klopfte an der äußeren Bürotür, und Albert, der gerade ein Lutschbonbon in den Mund steckte, grunzte ein undeutliches »Herein«. Vor Überraschung und Begeisterung verschluckte er dann das ganze Bonbon. Denn diesmal war es zweifellos ein echter Kunde.
    Ein großer, junger Mann, sehr elegant angezogen, trat zögernd ein. Ein Stutzer, dachte Albert. Er kannte sich aus mit diesen Typen.
    Der Mann war etwa vierundzwanzig Jahre alt, hatte wundervolles, glatt zurückgekämmtes Haar, zartlila Ringe unter den Augen und kein
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