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Die Brut

Titel: Die Brut
Autoren: Thea Dorn
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Ihre Hände zuckten. Es war lächerlich.
    Geh zum Schreibtisch zurück, mach den verdammten Laptop aus, nimm das Interview und arbeite
.
    Sebastian höhnte noch immer unter dem Lorbeerkranz hervor. Er hätte ihr doch nicht angeboten, seinen Laptop zu benutzen, wenn dort eine verfängliche Mail von Carola herumliegen würde.
    Die Neugier jaulte.
    Sebastian hatte Carola wegen ihr verlassen. Endgültig. Es gab keinen Grund, ihm zu misstrauen. Carola hatte verloren, ein Jahr lang jedes Selbsterniedrigungsregister gezogen und trotzdem verloren. Sebastian war mit ihr, Tesssa, in diese Wohnung gezogen. Ein Mann, der sich den Rückzug offenhalten wollte, zog nicht mit seiner neuen Liebe in eine solche Wohnung.
    Die Neugier presste sich winselnd auf den Boden.
    Dieser Lorbeerkranz ist doch nur lächerlich, dachte Tessa. Und öffnete die Mail.
    Mein Lieber,
    man tut nichts ungestraft auf dieser Welt. Gestern Morgen fing bei mir das altbekannte Jucken an, und mein Arzt bestätigte, dass ich eine Candida habe. Da sich meine erotische Versorgung in den letzten Monaten auf das Gnadenbrot beläuft, das Du mir zuteil werden lässt, kann ich es nur von Dir haben. Bei wem Du Dir wiederum die Candida eingefangen hast, ist mir allerdings ein Rätsel, denn dass Dein Astralweib die Brutstätte einer ordinären Pilzkrankheit ist, kann ja unmöglich sein.
    Kuss Carola
    Der Bildschirm begann vor Tessas Augen zu verschwimmen. Die Buchstaben wurden unscharf, die Zeilen zerflossen, wurden immer länger, immer breiter, bis sie als zähe schwarze Masse über den Bildschirm liefen.
    Candidus
.
Candida
.
Candidum
. Glänzend weiß. Setzen. Eins. Lustig, wie die Sprache hässliche Dinge mit schönen Wörtern überzog.
Candidamykose
. Das klang nach Jahrmarkt und roten Äpfeln am Stiel.
    Tessa war siebzehn gewesen. Und er Drummer in der einzigen Rockband, die es an ihrem Kleinstadtgymnasium gab. Sie hatten es nach einem Open-Air-Konzert am Ufer des Baggersees getrieben. Zwei Tage später hatte es zu brennen begonnen.
Vulvovaginitis candidomycetica
, sagte das medizinische Wörterbuch, und es klang nicht mehr ganz so nach Jahrmarkt.
Starke entzündliche Rötung und typischerweise (jedoch nicht immer) rasenartige grauweißliche Beläge im Bereich von Vulva und Vaginalwand einschließlich Portio, bei deren Entfernung Blutungen auftreten können
. Es hatte geblutet, als Tessa mit Fingernägeln in sich herumkratzte. Als sie Feli, ihrer jüngeren Schwester, davon erzählte, lachte diese.
Welcome to the Club, Schwesterchen, ist doch schön, wenn die Geschlechtskrankheiten in der Familie bleiben
. Tessa hängte sämtliche Kamillenteebeutel, die sie in der Küche finden konnte, in die Badewanne und schloss sich die ganze Nacht zum Sitzbad ein.
Das bringt doch nix
, rief Feli durch die Tür,
nimm lieber den Rest von meinem Pilz-Ex
. Am nächsten Morgen erklärte Tessa, dass sie den Frauenarzt wechseln würde.
Aber du warst doch immer so froh, dass du mit Feli zusammen zu Doktor Prätsch gehen konntest
, sagte die Stiefmutter. Feli lachte und ließ den Frühstücksjoghurt aus ihrem Mund in die Müslischale zurücktropfen. Es war der letzte Morgen gewesen, an dem Tessa einen Joghurt gegessen hatte.
    Sebastian. Was soll das?
    Tessa starrte auf den Bildschirm, auf dem jetzt wieder Buchstaben und Wörter und Sätze waren. Sie las die Mail noch einmal. Die Nachricht weigerte sich, in ihrem Hirn anzukommen. Steckte in irgendeiner Sinnesbahn fest wie ein Gerinnsel. Tessa hatte Angst aufzustehen. Es würde so sein wie mit dem körperlichen Schmerz. Du schneidest dir mit dem Küchenmesser beinahe den Finger ab, und du spürst den Schmerz erst, nachdem du ins Bad gerannt bist, das Medizinschränkchen geöffnet und einen Verband gesucht hast. Dann erst wird dir schlecht.
    Hatten sie es in der alten Wohnung getrieben, in der Carola immer noch wohnte? Hatten sie vorher getrunken? Wann war Sebastian das letzte Mal spät nach Hause gekommen? Ständig. Hatten die beiden überhaupt jemals aufgehört, miteinander zu vögeln? Wie oft ist
Gnadenbrot
?
    Carolas Mail war vom letzten Freitag. Am Sonntag war Sebastian zu seinen Dreharbeiten geflogen. Samstag waren sie so lange bei dem Empfang in der Filmakademie gewesen, dass sie sofort ins Bett gefallen und eingeschlafen waren. Freitag war es bei einem Essen mit Attila de Winter, ihrem Produzenten, spät geworden. Sebastian war nicht mehr wach gewesen. Donnerstag hatte sie Sendung gehabt. Die Sendung war gut gewesen, sie war
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