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Die Bruderschaft Christi

Die Bruderschaft Christi

Titel: Die Bruderschaft Christi
Autoren: Ulrich Hefner
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Gruben waren inzwischen auf dem Gelände ausgehoben worden, das sich westlich des Tempelberges entlang der Straße nach Jericho erstreckte. Neben dem Ort der ersten Funde inmitten des Olivenhains, abseits der Straße, waren drei weitere Gruben hinzugekommen, aus denen Waffen, Rüstungen, Schmuck und Küchengeschirr zu Tage gefördert wurden. Zweifellos hatte hier ein großes römisches Lager gelegen, das sich im Schatten des Tempelberges in nördliche Richtung erstreckte. Die ersten Funde, Keramik und Tonscherben, waren bereits von Gina Andreotti, der Expertin für Archäometrie, mittels zeitlicher Einordnung von Ablagerungen sowie ersten Messungen chronologisch zugeordnet und auf die Zeit um Christi Geburt datiert worden. Die daraufhin vorgenommene radiometrische Überprüfung in der Universität von Tel Aviv hatte die Berechnungen Ginas bestätigt. Für die Historiker allerdings waren die Funde keine Überraschung. Unzählige Artefakte einer bewegten Vergangenheit schlummerten zweifellos noch tief in der Erde und warteten darauf, entdeckt zu werden.
    Die Glocken der nahen Magdalenenkirche erklangen. Tom nahm einen kräftigen Schluck aus der Wasserflasche und blickte sich um. Zweitausend Jahre Geschichte lagen ihm zu Füßen, dennoch hatte er keinen Blick dafür. Er hatte schlecht geschlafen, und der Streit mit Yaara ging ihm nicht aus dem Sinn. Tom hatte sich in die gut aussehende Archäologin verliebt, aber nicht den Eindruck, dass sie seine Liebe erwiderte. Seit dem gestrigen Streit ging sie ihm aus dem Weg. Und dabei hatten sie vor zwei Tagen noch eng umschlungen in seinem Zelt gelegen.
    »Du denkst nach?«, riss ihn Professor Hawke, den alle nur John nannten, aus seinen düsteren Gedanken.
    Tom blickte auf. »Ich … ich …«
    »Ist es wegen Yaara?«
    »Yaara, wieso?«
    Hawke lächelte. »Komm schon, es ist ein offenes Geheimnis, dass ihr etwas miteinander habt«, sagte er in väterlichem Ton. »Ihr könnt es nicht verheimlichen, nicht vor mir. Schließlich bin ich darin ausgebildet, gut gehütete Geheimnisse zu lüften.«
    Tom blickte in den wolkenlosen Himmel. »Ich weiß nicht …«
    »Das wird schon wieder«, beruhigte ihn der Professor. »Frauen sind nun einmal launisch, das ist an jedem Ort der Welt so. Gib ihr Zeit.«
    »Vielleicht hast du Recht«, antwortete Tom nachdenklich.
    »Und wie kommt ihr hier voran«, lenkte Hawke ein.
    Tom wies auf die Grube. »Der Untergrund ist brüchig. Wir können nicht hinein, solange die Wände nicht verschalt sind. Moshav ist unterwegs um Material zu ordern.«
    »Ich denke, dass hier einmal die Küche und der Speisesaal lagen«, mutmaßte der Professor. »Aus dieser Grube haben wir sehr viele Tonscherben geborgen. Wenn wir nur noch ein klein wenig tiefer graben könnten!«
    »Ich denke, mit ein paar Balken und stabilen Bohlen können wir die Grube sichern. Vielleicht sollten wir zuvor die Ränder mit etwas Erde anfüllen.«
    Hawke legte Tom die Hand auf die Schulter. »Geht erst hinein, wenn ihr sicher seid, dass die Wände halten. Wir dürfen nichts riskieren. Aber ich weiß, dass ich mich auf meinen Ingenieur verlassen kann. Ich schicke dir zur Sicherheit Aaron vorbei.«
    Tom schüttelte den Kopf. »Nicht nötig, er wird an der ersten Grube gebraucht. Wir kommen hier schon klar.«
     
     
    Tel Aviv, Bar-Ilan-Universität …
     
    Stolz präsentierte Professor Chaim Raful im kleinen Hörsaal der Bar-Ilan-Universität in Tel Aviv die mittlerweile gesäuberten und teilweise präparierten Fundstücke der Ausgrabungen unterhalb des Tempelberges einer überschaubaren Abordnung aus internationalen Journalisten.
    Scherben von Tonkrügen, gut erhaltene Ringknaufschwerter der römischen Legionäre, ein paar Silbermünzen mit dem Konterfei des Kaisers Tiberius Claudius Nero, eine bronzene Kasserolle, Parfümflakons, Lanzen- und Pfeilspitzen sowie Schmuckstücke, kleine Bronzefigürchen und Fibeln und Haarpfeile römischer Frauen. Vier große Tische waren bedeckt mit den Artefakten aus dem Feld an der Straße nach Jericho.
    »Wir hoffen, bald auf die Überreste römischer Ansiedlungen zu stoßen«, betonte Professor Chaim Raful. »Da wir ein reichhaltiges Sortiment an Waffen sowie Dinge des täglichen Gebrauchs und Schmuckstücke römischer Frauen vorfanden, gehen wir davon aus, dass es sich bei dem Fund um eine Niederlassung, besser gesagt eine Garnison handelte. Da dort auch römische Frauen lebten und nur hochrangige Offiziere das Privileg besaßen, ihre Familien in die
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