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Die Bruderschaft Christi

Die Bruderschaft Christi

Titel: Die Bruderschaft Christi
Autoren: Ulrich Hefner
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sein.«
    Die kleine Gruppe wandte sich nach Norden. Auf der staubigen Straße nach Jabá kamen sie mit ihrem Karren nur langsam voran. Argwöhnisch schauten sie sich um, doch niemand schien von ihrem Aufbruch etwas bemerkt zu haben. Keine Menschenseele war zu sehen. Der Mond erhob sich von Südosten in den wolkenlosen Himmel. Sie löschten ihre Fackeln. Nur die Hunde der Stadt schienen das tote Fleisch zu wittern. Das Bellen der Straßenköter schien näher als zuvor. Der Principales umklammerte sein Schwert. Ihm war nicht wohl in seiner Haut. Angeblich soll er der Herrscher der Juden sein und von ihrem Gott abstammen. Er soll über Kräfte verfügen, die über den Tod hinausgingen. Man hatte von Wundern erzählt, von Blinden, die wieder sehen konnten, von Lahmen und Aussätzigen, die der Nazarener geheilt, ja sogar von Toten, die er erweckt hatte. Von Zeit zu Zeit blickte der Principales auf das Bündel, das auf der Pritsche des Eselskarrens lag. Warum nur hatte der Kommandant gerade ihn für diese Aufgabe ausgewählt? Er wäre viel lieber in der Stadt geblieben und hätte sich im Lager am Würfelspiel beteiligt und Wein aus dem Jordan-Tal getrunken. Schweren, fruchtigen, roten Wein aus der Gegend um Scythopolis, der einen so herrlich vergessen ließ, wie weit man doch der Heimat entfernt war und wie lange man die Einsamkeit hier in diesem heißen und staubigen Land noch ertragen musste.
    »Diese verfluchten Biester«, fluchte einer der Legionäre, als das Geheul eines Hundes ganz in der Nähe erklang.
    »Sie riechen das Fleisch des Toten«, antwortete ein Kamerad. »Sie sind ausgehungert und wittern Beute.«
    »Verstehst du, warum wir den Leichnam aus der Stadt bringen?«
    »Ruhe!«, zischte der Principales erneut. »Seid endlich still!«
    Die Legionäre verstummten. Schweigend gingen sie neben dem Wagen her. Im fahlen Mondlicht wandelte die Landschaft ihr Gesicht. Der Weg, der mittlerweile von niederem Buschwerk umsäumt wurde, führte eine kleine Anhöhe hinauf. Das Blöken von Schafen durchbrach die Stille. Eine Herde kreuzte den Weg. Der Principales gab seinen Männern ein Zeichen, sie verharrten.
    »Zwei Mann nach vorn«, befahl er leise.
    Die beiden Legionäre, die neben dem Esel standen, rückten vor. Sie zogen ihre Schwerter blank. Ängstlich beobachteten sie die Umgebung, doch so weit sie im fahlen Mondlicht auch blickten, sahen sie nur die Schafe, die vor ihnen den Weg versperrten. Plötzlich erfüllte ein helles Zischen die Luft. Noch bevor die Legionäre reagieren konnten, prasselten Steine auf sie hernieder. Ein lauter Schrei gellte durch die Nacht. Einer der Legionäre stürzte. Ein weiterer wurde von einem Stein am Kopf getroffen und ließ sein Schwert zu Boden fallen.
    »Ein Hinterhalt!«, rief der Principales. »Kämpft, Römer, kämpft um euer Leben!«
    Ein erneuter Steinhagel zerschnitt die Luft. Mit einem lauten Scheppern traf einer der Brocken den Brustharnisch des Principales. Hätte er sich nicht am Karren stützen können, wäre auch er zu Boden gesunken. Plötzlich erhob sich ein lautes und schrilles Geschrei. Von allen Seiten kamen vermummte Gestalten mit wallenden Gewändern auf sie zu. Erschrocken blickte ihnen der Principales entgegen. Die Heranstürmenden schwangen Stöcke und Äxte durch die Luft, und schon sausten sie auf die Römer hernieder. Die Übermacht war erdrückend. So sehr sich die Legionäre auch zur Wehr setzten, allenthalben sank ein Kamerad getroffen von einem Hieb zur Erde. Todesschreie hallten durch die Nacht, rasselnder Atem erstickte in einem gurgelnden Laut. Zu viert, zu fünft, von überall her stürmten die Angreifer auf den Principales zu. Den ersten Hieb wehrte er mit seinem Schwert ab, doch bereits der zweite Stockschlag traf seine Schulter. Mit letzter Kraft stemmte er sich gegen den Angriff, noch einmal riss er das Schwert in die Höhe, ehe eine Axt sich tief zwischen seine Schulterblätter grub. Rasender Schmerz schoss durch seinen Körper. Ihm wurde heiß und kalt zugleich, während die Schreie und das Rufen erloschen. Das Blut des Sterbenden sickerte in den Sand.
    Der Kampf währte nur kurz. Bald stürzte der letzte Legionär tödlich verwundet nieder, und das Blöken der Schafe legte sich über den Kampfeslärm.
    *
    Sie hatten im lockeren Boden eine tiefe Grube gegraben und warfen die Körper der Getöteten hinein. Ehe sie sich daranmachten, die Grube wieder zuzuschütten, suchten sie den Weg nach verräterischen Spuren ab. Hier lag ein Dolch, dort der
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