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Die Braut des Piraten

Die Braut des Piraten

Titel: Die Braut des Piraten
Autoren: Jane Feather
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Castle. Im Winter war das Haus eng und zugig, doch lag es wenigstens außerhalb der Festungsanlagen. Für Olivia und die Frau ihres Vaters, zugleich ihre liebste Freundin, war ein solches Domizil einem Leben in einem Militärlager bei weitem vorzuziehen. Obschon der König wie gewohnt Hof in der großen Halle des Schlosses hielt und man bemüht war, die wahre Natur seiner Situation zu beschönigen, vermochte nichts über den militärischen Charakter seiner Umgebung hinwegzutäuschen.
    Olivia, die die ersten sechzehn Jahre ihres Lebens in der Festung ihres Vaters an der Grenze Yorkshires zu Schottland verbracht hatte, war seit Beginn des Bürgerkriegs an ein Leben im Belagerungszustand gewöhnt. Als der Krieg sich nach Süden verlagerte, war Lord Granville ihm gefolgt.
    Ich bin verweichlicht, dachte Olivia mit halbem Lächeln und streckte sich in der Sonnenwärme. Das milde Klima und die sanfte Landschaft des Südens hatten ihrer nördlichen Widerstandskraft zugesetzt. An tiefen Schnee und bittere Kälte gewöhnt, hatte sie das Gefühl, das feuchte Nieselwetter des Winters im Süden enthielte ihr etwas vor. Es brachte feuchte Kälte, die sich ins Gebein fraß, und der Nordost, der vom Meer her kam, konnte zwar sehr heftig sein, wirkte aber eher monoton als bedrohlich.
    Jetzt aber war Sommer, und es war, als hätte es nie Winter gegeben. Hier strahlten Himmel und weite See um die Wette. Sie hatte das Meer zuvor nicht gekannt. In Yorkshire gab es Moore und Gebirge, und im Themse-Tal, das ihr in den letzten drei Jahren Heimat geworden war, gewundene Flussläufe, nichts aber, was sich mit diesem wundersamen Gefühl der Weite vergleichen ließ, mit der Aussicht in die Ferne, wo Wasser und Himmel einander mit der Verheißung von Unendlichkeit berührten.
    Olivia warf das Apfelgehäuse weit landeinwärts und spürte, wie ihre Seele sich erhob und ihre Lebensgeister zu tanzen schienen. Draußen sah man Segel, hübsche weiße Segel auf schnell dahingleitenden Schiffen. Unter ihr zogen Möwen ihre Kreise, von warmen Luftströmungen getragen, und Olivia beneidete sie um ihre köstliche Freiheit und um die Fähigkeit, sich ohne Absicht und Notwendigkeit aus purer Freude den Luftwirbeln hinzugeben.
    Plötzlich lachte sie übermütig auf und trat einen Schritt näher an den Klippenrand – trat in ein Stück Unterholz – trat ins Nichts.
    Sie spürte Schmerz, ein allgemeines, einem Morast ähnliches Gemisch, aus dem keine einzelne Schmerzempfindung hervortrat. Sie hörte Gemurmel, eine Stimme besonders deutlich, eine Stimme, die kühle Hände an ihrem Körper begleitete, Hände, die sie umdrehten, hoben, salbten. Ein graues Augenpaar durchdrang das Traumgespinst aus Verwirrung und Angst. Ein gallbitterer Trunk löste einen Schwärm Furcht einflößender Bilder aus, Dinge, die sie nicht benennen konnte und die sie umzüngelten wie die Schlangen der Medusa.
    Sie wehrte sich gegen den bitteren Trank und stieß die Hände fort, die den Becher an ihre Lippen hielten. Die leise Stimme sagte: »Nur noch einen, Olivia.« Ihre um sich schlagenden Hände wurden gehalten, kühl und fest, und ihr Kopf ruhte in einer Armbeuge.
    Mit einem leisen Aufseufzen fügte sie sich einer Kraft und einem Willen, der ihrem überlegen war. Das ekelhafte Gebräu floss zwischen ihre geöffneten Lippen. Sie schluckte es widerwillig und mit gurgelndem Keuchen.
    Diesmal versank sie in einem dunklen Tümpel, dessen grüne Wasser über ihrem Kopf zusammenschlugen. Der Schmerz zog sich zurück, es gab keine Albträume mehr, nur tiefen, erquickenden Heilschlaf.
    Olivia schlug die Augen auf. Was sie sah, ergab keinen Sinn, deshalb schloss sie sie wieder. Nach einer Weile öffnete sie die Augen abermals. Nichts hatte sich verändert.
    Sie lag völlig reglos da und hörte ihren eigenen Atem. Ein anderes Geräusch gab es nicht. Ihr Körper war von köstlicher Trägheit erfüllt. Sie hatte kein Verlangen, sich zu rühren. Bei genauerer Bestandsaufnahme spürte sie an der Hinterseite eines Schenkels starkes Wundsein und da und dort eine gewisse Empfindlichkeit, doch als sie mit den Händen träge über ihren Körper strich, schien alles seine Richtigkeit zu haben.
    Bis auf die Tatsache, dass sie nackt war.
    Sie erinnerte sich, auf dem Klippenpfad gestanden zu haben, und das Apfelgehäuse landeinwärts geworfen zu haben. Dann waren Träume, Albträume, Stimmen, Hände gefolgt. Doch waren sie Teile des Traumes und nicht Wirklichkeit gewesen.
    Sie schloss erneut die Augen,
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