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Die Braut des Piraten

Die Braut des Piraten

Titel: Die Braut des Piraten
Autoren: Jane Feather
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Hände, die dem Sturm standhielten, der ihm sein Schiff zu entreißen drohte, während er versuchte, die warnende Glocke vor St. Catherine's Point zu hören.
    »Das Leuchtfeuer ist erloschen, Sir«, rief ihm der Steuermann gegen das Sturmgeheul ins Ohr.
    Der Schiffsherr blickte zur Klippenhöhe, wo sich der verräterische Schein gezeigt hatte. Plötzlich hörte man Schreie, die keine Möwenrufe in wilder Nacht waren, und unter einem gewaltigen Blitz traten die gespenstischen Umrisse des gestrandeten Schiffes auf den Felsen hervor und wurden sekundenlang grässlich erhellt.
    Und noch immer war die Glocke vor St. Catherine's Point nicht zu vernehmen.
    Eine sonderbare, lastende Stille senkte sich über das Schiff, als die Besatzung momentan in ihrem Kampf gegen das Unwetter innehielt. Alle befuhren diese Gewässer seit frühester Jugend und kannten die Gefahren. Sie wussten, dass die größte Gefahr von der Küste her drohte.
    »Gott erbarme sich ihrer Seelen«, murmelte der Steuermann, unwillkürlich ein Kreuz schlagend.
    »Es sah nach einem Kauffahrer aus«, gab der Schiffsherr zurück. Sein Ton war kalt und unbeteiligt. »Das gibt reiche Beute. Die Nacht war gut gewählt.«
    »Ja«, murmelte der Steuermann, dem die Haare zu Berge standen, als die Schreie der Sterbenden sich im Tosen der Brecher verloren, die das aufgelaufene Schiff zu Trümmern und Splittern zermalmten.

Kapitel 1
    Die Sonne schien heiß und hell auf die nunmehr ruhigen Gewässer des englischen Kanals. Olivia Granville schlenderte den schmalen Klippenpfad oberhalb von St. Catherine's Point entlang, selbstvergessen und ohne auf ihre Umgebung und diese regenfrische Schönheit des Morgens nach dem nächtlichen Sturm zu achten. Herzhaft in ihren Apfel beißend, runzelte sie die Stirn über der verzwickten Konstruktion des griechischen Textes, den sie in der Hand hielt.
    Das Gras unter ihren in Sandalen steckenden Füßen war nass und stellenweise so hoch, dass es ihre Waden streifte und ihr Musselinkleid benetzte. Ein roter Admiral flitzte wie ein Farbblitz über die weiße Seite ihres Buches, eine Biene summte zwischen den duftenden Köpfen der Lichtnelken.
    Olivia blickte nun auf und ließ sich einen Moment von ihrem Text ablenken. Das Meer erstreckte sich blau und glatt wie Badewasser bis zur Küste von Dorset, die sich am Horizont undeutlich abzeichnete. Es war kaum vorstellbar, dass der Sturm mit einer Gewalt getobt hatte, die das Schiff, das sie weit unten auf den Felsen ausmachen konnte, hatte auflaufen lassen. Männer wimmelten wie Ameisen um das Wrack und versuchten zu bergen, was zu bergen war. Im Haus hatte man am Morgen nur vom Schiffbruch gesprochen, und es hatte geheißen, das Schiff sei von Schmugglern und Wrackräubern, die im Laufe des letzten Winters auf der Insel sehr aktiv geworden waren, absichtlich in den Untergang gelockt worden.
    Olivia atmete Salz- und Tangduft tief ein. Der sechste Winter des Bürgerkrieges war endlos gewesen. Vor einem Jahr noch hatte es ausgesehen, als sei der Krieg so gut wie beendet. König Charles hatte sich dem Parlament ergeben und wurde in London im Palast von Hampton Court fest gehalten, während über einen endgültigen Friedensschluss verhandelt wurde. Dann aber hatte der König sein Ehrenwort und alle vorläufigen Übereinkommen gebrochen und war aus Hampton Court geflohen.
    Er hatte sich auf die Insel Wight, ein Bollwerk der Königstreuen, geflüchtet und hatte sich dem Schutz des Festungskommandanten Colonel Hammond unterstellt. Der Colonel aber, der sich alles andere als königstreu erwies, hatte gemäß seiner Verpflichtung dem Parlament gegenüber den König in Ehrenhaft genommen und hielt ihn auf Carisbrooke Castle fest. So war es gekommen, dass man die fortgesetzten Verhandlungen mit dem Parlament auf die Insel verlegt hatte.
    Olivias Vater, der Marquis of Granville, ein führender Kopf der Parlamentspartei und einer der herausragenden Unterhändler, hatte daher gegen Ende des letzten Jahres seine älteste Tochter, seinen neun Monate alten Sohn und seine erneut schwangere vierte Gemahlin auf die Insel gebracht. Seine zwei jüngeren Töchter waren auf eigenen Wunsch in dem stillen Haus in Oxfordshire geblieben, wo sie die vorangegangenen drei Jahre in Obhut ihrer geliebten Gouvernante verbracht hatten.
    Auf der Insel hatte Lord Granville ein lang gestrecktes, niedriges Reetdachhaus im Dorf Chale erworben, nur wenige Meilen jenseits der hohen Steinmauer des königlichen Kerkers Carisbrooke
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