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Die Borgia: Geschichte einer unheimlichen Familie (German Edition)

Die Borgia: Geschichte einer unheimlichen Familie (German Edition)

Titel: Die Borgia: Geschichte einer unheimlichen Familie (German Edition)
Autoren: Volker Reinhardt
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und Korn wie Calixtus III. den damit eingeschlagenen Kurs weitersteuern würde.

2. Der erste Borgia-Papst: Machtgenuss und Machtverlust
    Die Erwartungen an den neuen Papst aus dem Hause Borgia erhielten im Februar 1456 einen ersten Dämpfer. Fast acht Monate lang – eine lange Zeit für einen betagten Mann – hatte sich der neue Papst des Nepotismus weitgehend enthalten. Doch dann erfolgte gleich ein Doppelschlag: Rodrigo Borgia und sein Vetter Luis Juan de Milas erhielten gleichzeitig die Kardinalswürde verliehen. Pedro Luis, Rodrigos Bruder, hingegen wurde zum weltlichen Nepoten, das heißt: zum künftigen Stammhalter einer hochadeligen Borgia-Dynastie erkoren. Von einer solchen Rangerhöhung hatte Papst Nikolaus V. wohlweislich Abstand genommen; sie musste unweigerlich zu heftigen Konkurrenzkämpfen mit den römischen Baronen führen. Diese fühlten sich durch solche Newcomer aufs Höchste bedroht, und zwar nicht ohne Grund: Die neuen Fürsten von päpstlichen Gnaden erhielten in großer Zahl Lehnsherrschaften und Grundbesitz in der römischen Umgebung auf Kosten der alteingesessenen Aristokratie übertragen, wurden also zu deren natürlichen Feinden.
    Luis Juan de Milas blieb jedoch ohne wirklichen Einfluss, und auch Pedro Luis de Borgia war eine schattenhafte Figur ohne eigene Autorität. Der Lieblingsnepot des greisen Calixtus war von Anfang an der aus ganz anderem Holz geschnitzte Rodrigo Borgia. Das machten Ämter und Pfründen unübersehbar deutlich, die wie ein warmer Regen auf den fünfundzwanzigjährigen Kardinal niedergingen. So erhielt Rodrigo mit dem Amt des Vizekanzlers den zweitwichtigsten Posten der Kirche verliehen. Als solcher war er für die Erteilung von «Gnaden», das heißt für Ausnahmegenehmigungen vom geistlichen Recht, zuständig. Dieses war damals weit gefasst und erstreckte sich auf die gesamte Familien- und Ehegesetzgebung. Hier hatte die Kirche im Laufe der Jahrhunderte mancherlei Beschränkungen selbst zwischen entfernteren Verwandten eingeführt, deren Aufhebung sie sich wenn möglich teuer bezahlen ließ. Solche Gelegenheiten boten sich zum Beispiel, wenn Heiraten unter gekrönten Häuptern mangels Nachwuchs annulliert oder bei neu auftretenden Begehrlichkeiten trotz entsprechender Hindernisse so schnell wie möglich geschlossen werden sollten. Doch auch gravierendere Verstöße gegen menschliches und göttliches Recht gelangten vor diesen päpstlichen Gerichtshof, ebenso wie Bitten um die Aufhebung von unerfüllbaren oder auch nur lästigen Gelöbnissen. Als Vizekanzler gewann Rodrigo von jetzt an Einblicke in unerfreuliche Vorgänge und dynastische Geheimnisse, die die Mächtigen dieser Welt keineswegs publik gemacht zu sehen wünschten. Die damit gebotenen Möglichkeiten, Gegenleistungen einzufordern oder auch nur dauerhaften Druck auszuüben, hat er sechsunddreißig Jahre lang meisterlich genutzt.
    Schon im ersten Regierungsjahr Calixtus’ III. trat immer deutlicher hervor, dass er den Ehrgeiz seiner Nepoten kaum zügeln konnte. Seit 1457 bestimmten deren Wünsche vollends die Ziele der päpstlichen Politik. So erhielt der weltliche Nepot Pedro Luis die Aufsicht über die uneinnehmbare römische Stadtfestung der Engelsburg am Tiber und darüber hinaus eine Burg im römischen Umland nach der anderen. Leidtragende dieser Familienbereicherung waren vor allem die Orsini, deren Kardinal seinerzeit Alonso de Borja den Weg auf den Thron Petri gebahnt hatte und die statt Lohn jetzt Enteignungen ernteten.
    Auch die Beziehungen zu Neapel trübten sich schnell ein. König Alfonso musste sich daran gewöhnen, dass sein ehemaliger Minister nicht nur auf gleicher Augenhöhe mit ihm verhandelte, sondern auch die Rechte des obersten Lehnsherrn einforderte. Damit kehrten sich die Abhängigkeitsverhältnisse um; für den stolzen Monarchen in Neapel war das eine schwer erträgliche Entwicklung. Doch der Ehrgeiz der Nepoten spitzte den Streit über diesen unausweichlichen Punkt hinaus weiter zu. 1457 kündigten die beiden Herrscher nahezu gleichzeitig extreme Kampfmaßnahmen an: Alfonso drohte dem Papst mit Konzil und Absetzung, Calixtus dem König mit dem Entzug der Belehnung und der Absetzung.
    Welche Kräfte hinter dieser Eskalation standen, wurde im Folgejahr deutlich. Als König Alfonso am 27. Juni 1458 starb, untersagte der Papst dem designierten Nachfolger Ferrante, den Königstitel zu führen, entband seine Untertanen vom Treueid und zog das Königreich als heimgefallenes Lehen
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