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Die Borgia: Geschichte einer unheimlichen Familie (German Edition)

Die Borgia: Geschichte einer unheimlichen Familie (German Edition)

Titel: Die Borgia: Geschichte einer unheimlichen Familie (German Edition)
Autoren: Volker Reinhardt
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Kardinälen des 15. und 16. Jahrhunderts hatte Theologie studiert.
    Die Standardausbildung für den künftigen Karriereprälaten war stattdessen das Studium der Rechte. Alonso de Borja selbst war diesen Weg gegangen. Diesem Studium widmete sich Rodrigo Borja, den seine Kollegen von jetzt an mit seiner italienisierten Namensform «Borgia» anredeten, seit 1453 an der führenden Universität Bologna, und zwar, wie seine spätere Tätigkeit zeigt, mit durchschlagendem Erfolg. Die in nur drei Jahren erworbenen Kenntnisse kamen ihm bei seiner langjährigen Aktivität in Führungspositionen der Kurie zugute. Der Grund für den vorzeitigen Abbruch des Hochschulstudiums war der denkbar erfreulichste. Am 9. April 1455 kam ein Eilkurier mit verhängten Zügeln nach Bologna, wo er den Einwohnern der zweitgrößten Stadt des Kirchenstaats die frohe Botschaft «Habemus Papam!», «Wir haben (einen neuen) Papst!», verkündete und Rodrigo Borgia als dem Neffen des neuen Herrschers huldigte.
    In nur vier Tagen nach dem Tod Nikolaus’ V. am 4. April 1455 hatte sich die Karriere Alonso de Borjas vollendet und damit eine alte Weissagung bestätigt: Ein halbes Jahrhundert zuvor hatte ihm der berühmte spanische Bußprediger Vicente Ferrer die höchste Würde der Kirche prophezeit. Ein solcher Orakelspruch findet sich in nahezu jeder Vita erfolgreicher Aufsteiger, doch im Falle des ersten Borgia-Papstes darf er nicht nur als gesichert, sondern auch als folgenreich gelten, nicht zuletzt für den Propheten selbst. Denn Calixtus III., wie sich der Gewählte jetzt nannte, sprach seinen Landsmann aus dem Dominikanerorden nicht nur wegen seiner Tugenden und Wunder heilig, sondern bezeugte ihm damit ausdrücklich auch seine Dankbarkeit für die eingetroffene Vorhersage – auch das ein Akt der päpstlichen pietas !
    Um die Vorhersage in Erfüllung gehen zu lassen, waren besondere politische Umstände notwendig gewesen. Colonna und Orsini, die ewigen Rivalen, standen sich im Konklave unversöhnlich und annähernd gleich stark gegenüber. So musste die Wahl auf einen «unpolitischen» Kompromisskandidaten fallen, und ein solcher stand mit dem griechischen Kardinal Bessarion auch zur Verfügung. Er war als humanistischer Gelehrter von höchstem Rang berühmt und wurde wegen seiner Freigebigkeit und seines makellosen Lebenswandels geschätzt. So drängte sich Bessarion für die höchste Würde geradezu auf, doch wurde ihm seine Herkunft zum Verhängnis. Die griechisch-orthodoxe Kirche hatte sich erst ein gutes Jahrzehnt zuvor auf dem Konzil von Florenz mit Rom wiedervereint, und zwar dem Zwang der politisch-militärischen Umstände entsprechend. Nach der Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen im Mai 1453 hatte diese Union zudem keinen Bestand mehr. Ein griechischer Papst musste sich daher Zweifel an seiner Glaubenstreue gefallen lassen.
    Ein Spanier auf dem Papstthron hingegen brachte in das Amt das Prestige der Reconquista ein, der kurz vor dem Abschluss stehenden Rückeroberung des Landes von den «Mauren». Darüber hinaus war bei einem fast siebenundsiebzigjährigen Pontifex maximus mit einem kurzen Pontifikat des Übergangs zu rechnen. Und in Anbetracht der Charaktereigenschaften, die Alonso de Borja in einem langen Leben an den Tag gelegt hatte, durfte man davon ausgehen, dass er auch als Papst berechenbar sein würde und die frischen, noch nicht wirklich verfestigten Normen der Selbstbeschränkung in Sachen Nepotismus beherzigen würde. Diese schrieben vor, dass jeder Papst höchstens einen Neffen zum Kardinal machen durfte und sich bei der Bereicherung und sozialen Erhöhung seiner Verwandtschaft insgesamt zurückhielt.
    Die drei Päpste nach dem Schisma hatten diese Regeln im Großen und Ganzen beachtet. Speziell Nikolaus V. hatte vorgeführt, wie sich die «Reformpartei» innerhalb des Kardinalskollegiums einen Pontifikat wünschte. Dieser humanistische Gelehrte aus kleinen Verhältnissen hatte den Einfluss seiner Verwandten sehr eng begrenzt gehalten und sich stattdessen politisch der Friedensstiftung in Italien gewidmet. Durch seine Bemühungen waren 1454 und 1455 in der kleinen lombardischen Stadt Lodi Verhandlungen der italienischen Großmächte zum Abschluss gelangt, die den Status quo festschrieben, den Frieden ohne Einmischung sichern sollten und zu diesem Zweck sogar eine eigene «Ligaarmee» ins Leben riefen.
    Das waren verheißungsvolle Vorzeichen. Alles sprach dafür, dass ein betagter Spanier vom alten Schrot
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