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Die Borgia: Geschichte einer unheimlichen Familie (German Edition)

Die Borgia: Geschichte einer unheimlichen Familie (German Edition)

Titel: Die Borgia: Geschichte einer unheimlichen Familie (German Edition)
Autoren: Volker Reinhardt
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Sommertemperaturen und die nicht weniger erhitzte Phantasie der «Zeugen» zurückführen.

17. Untergang und Neuanfang
    Schon ein Jahr vor dem Tod Alexanders VI. hatte Machiavelli die Frage gestellt, die über Sein oder Nichtsein der Borgia entscheiden musste: Würde sich Cesare, der Sohn des Glücks, auch dann noch behaupten können, wenn ihm Fortuna nicht mehr zulächelte? Dass der Duca Valentino im kritischsten Augenblick der Familiengeschichte handlungsunfähig auf dem Krankenbett lag, war ohne Frage ein äußerst widriger Zufall. Allerdings konnte er trotz dieser Schwäche die Engelsburg behaupten und damit eine starke Stellung in der Ewigen Stadt verteidigen. Überdies hatten die Anhänger der Borgia im Kardinalskollegium eine klare Mehrheit.
    Umso größer war daher das Erstaunen, als am 22. September 1503 mit Francesco Todeschini Piccolomini ausgerechnet das Haupt der wertkonservativen Opposition gewählt wurde. Die Mehrheit für diesen hoch respektierten Gegenspieler Alexanders VI. zeigte, dass auch manche Gefolgsleute der Borgia einen moralischen Neuanfang herbeiwünschten. Doch die Erhebung des zweiten Piccolomini-Papstes, der nach seinem Onkel den Namen Pius III. annahm, kam zu spät. Die Tage des neuen Pontifex maximus waren gezählt. Schon am 18. Oktober war der Stuhl Petri wieder verwaist. Diesmal ging es für den genesenden Cesare Borgia um alles oder nichts. Denn der aussichtsreichste Kandidat im zweiten Konklave des Jahres 1503 war Kardinal Giuliano della Rovere, der Erbfeind der Borgia.
    Ende Oktober 1503 schickte die Republik Florenz ihren Zweiten Kanzler Machiavelli nach Rom und damit wieder einmal an den Brennpunkt des politischen Geschehens. Was für ein Wiedersehen, so Machiavelli in seinen Depeschen: Ein Jahr zuvor stand der Duca Valentino vor seinem größten Triumph, jetzt drohte ihm der Untergang. Der Sohn des Papstes war politisch erledigt, das war allen politischen Beobachtern klar, nur er selbst war blind in eigener Sache. Statt sich seiner Lage zu stellen, schwadronierte er von neuen Eroberungen. Selbst als Giuliano della Rovere in der Nacht vom 31. Oktober auf Allerheiligen zum Papst gewählt wurde und den Namen Julius II. annahm, glaubte der Ex-Nepot noch, aus einer Position der Stärke heraus verhandeln zu können. In Wirklichkeit sank er zum Objekt fremder Entscheidungen herab, ja, am Ende zu einer keifenden Karikatur seiner selbst. Machiavelli zeichnete diesen Schrumpfungsprozess mit grausamer Ironie und vielen genüsslich ausgemalten Details nach. Das war die Rache des Intellektuellen dafür, dass dieser Fürst so oft mit ihm Katz und Maus gespielt hatte.
    Cesare Borgia hatte tatsächlich ausgespielt. Er, der so viele mit falschen Versprechungen eingelullt hatte, glaubte den beruhigenden Versicherungen Julius’ II. und sah sich als Folge dieses unangebrachten Vertrauens plötzlich dem Großen Kapitän und damit den spanischen Majestäten in Neapel ausgeliefert. Von dort wurde er unter strengen Sicherheitsvorkehrungen nach Spanien verbracht und eingekerkert. Doch stellte er in der Heimat seiner Familie unter Beweis, dass er nichts von seiner alten Tatkraft eingebüßt hatte. Nach tollkühner Flucht konnte er sich zu seiner Gattin in das Pyrenäen-Königreich Navarra durchschlagen. Dort fiel er am 11. März 1507 in einem ritterlichen Gefecht.
    Zu diesem Zeitpunkt war der einstige Schrecken Italiens in Rom und in der Romagna bereits weitgehend vergessen. Doch im Kopf Machiavellis lebte er fort. Machiavelli hatte nach der Rückkehr der Medici nach Florenz im Spätsommer 1512 seinen Posten im Dienst der Republik verloren. Um sich den neuen Machthabern als politischer Ratgeber anzubieten, verfasste er im Jahr darauf sein berühmtes «Buch vom Fürsten», Il principe . Darin erlebte der ehemalige Herzog der Romagna eine unerwartete Wiederauferstehung. Cesare, so Machiavelli, hatte bis unmittelbar vor seinem Machtverlust alles richtig gemacht. Er hatte als Fürst von fremden Gnaden begonnen, sich so weit wie möglich aus dieser Abhängigkeit befreit und in der Romagna eine starke, potentiell dauerhafte Herrschaft begründet, nicht zuletzt dadurch, dass er für die unvermeidlichen Grausamkeiten Sündenböcke fand. Doch im entscheidenden Augenblick beging Cesare Borgia einen fatalen Fehler: Er nahm die Versprechungen seines Todfeindes Julius II. für bare Münze! Als perfekter Fürst hatte der Sohn des Papstes die Rollen des Fuchses und des Löwen gleichermaßen vollendet
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