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Die Blutige Sonne - 14

Die Blutige Sonne - 14

Titel: Die Blutige Sonne - 14
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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einem Tisch niederzulassen. Ellers wurde ganz vergnügt, als ein dickliches, dunkelhaariges Mädchen kam, um die Bestellung aufzunehmen. Er gab ihr einen Klaps auf die runde Kehrseite, bestellte Wein im Jargon der Raumfahrer, zog den Darkovaner Mantel zu sich über den Tisch, um den Pelz zu befühlen und verlor sich in einer langen Geschichte von einer ganz besonderen Pelzdecke, die für den kalten Planeten Lyra wie geschaffen sei.
    „Die Nächte dort droben dauern sieben Tage, und die Leute legen die Arbeit auf die Seite, bis die Sonne wieder aufgeht und das Eis abtaut. Ich sage dir, ich bin unter die Decke gekrabbelt und habe meine Nase nicht mehr hinausgestreckt …“
    Kerwin beschäftigte sich mit seinem Getränk und hörte kaum zu. Es machte auch absolut nichts aus, denn Ellers’ Erzählungen glichen sich sowieso alle. Ein Mann an einem der nächsten Tische, der vor einem Weinglas saß, blickte auf, warf einen Blick auf Kerwin und sprang so unvermittelt auf, daß sein Stuhl umfiel. Er kam an den Tisch der beiden und sah Ellers, der mit dem Rücken zu ihm saß, blieb stehen, trat einen Schritt zurück und schien deutlich überrascht und verwirrt zu sein.
    Im gleichen Augenblick machte Ellers eine Pause in seiner Geschichte. Er sah sich um und lachte.
    „Ragan, alte Raumschleuder! Das habe ich mir doch gedacht, daß ich dich hier treffe! Komm, trink mit uns!“
    Ragan zögerte, und Kerwin hatte den Eindruck, daß der Mann sich seinetwegen unbehaglich fühlte.
    „Ach, komm nur!“ drängte Ellers. „Das ist ein Kamerad von mir, Jeff Kerwin.“
    Ragan setzte sich. Kerwin wurde aus ihm nicht klug. Er war klein und drahtig, mit sonnengebräunter Haut, als halte er sich viel im Freien auf; die Hände waren schwielig. Er konnte ebensogut ein kleingeratener Darkovaner aus den Bergen sein, wie ein Erdenbewohner, der Darkovaner-Kleidung trug. Die terranische Standardsprache beherrschte er so gut wie jeder Erdbewohner, fragte Ellers über den Raumflug aus und bestand darauf, die nächste Runde zu bezahlen; aber wenn er glaubte, Kerwin würde es nicht bemerken, beobachtete er ihn verstohlen.
    „Was ist?“ fragte Kerwin schließlich. „Mir schien, Sie hätten mich erkannt, als Sie zu uns herüberkamen.“
    Ragan nickte. „Stimmt. Ich wußte gar nicht, daß Ellers da war. Aber dann sah ich ihn bei Ihnen sitzen, und Sie trugen das …“ – er deutete auf Kerwins terranische Bekleidung. „Da wußte ich, daß Sie nicht die Person waren, für die ich Sie zuerst gehalten hatte. Ich kenne Sie doch nicht, oder?“ fügte er verdutzt hinzu und runzelte die Stirn.
    Kerwin sah ihn prüfend an. War Ragan vielleicht eines der Kinder aus dem Raumfahrer-Waisenhaus? Der Fremde war ein wenig jünger als er selbst. „Ich glaube nicht“, antwortete er schließlich.
    „Aber Sie sind doch nicht von Terra, oder doch?“
    Die Erinnerung an den Hohn des Beamten, der in den Worten „einer von denen “ gelegen hatte, huschte durch Kerwins Gehirn, aber er schob sie beiseite.
    „Mein Vater war Terraner. Ich bin hier geboren.“
    Wieder nickte Ragan. „Ich auch. Ich arbeite in der Verbindungsstelle der Handelsstadt, wenn Darkovaner anzuwerben sind – Bergführer und so ähnlich.“
    Kerwin versuchte noch immer, sich darüber klarzuwerden, ob der Mann den Akzent der Darkovaner hatte, und fragte schließlich: „Sind Sie Darkovaner?“
    Ragan zuckte die Achseln, und seine Augen waren bitter vor Anklage. „Wer weiß?“
    Er hob das Glas und trank. Kerwin tat ihm Bescheid, und er fühlte, daß er nahezu betrunken war. Aber das schien ihm gar nichts auszumachen. Ragan starrte vor sich hin, und auch das schien bedeutungslos zu sein.
    Auf irgendeine Weise könnten sich unsere Fälle gleichen, überlegte Kerwin. Meine Mutter kann Darkovanerin gewesen sein, genausogut aber auch woandersher stammen. Mein Vater war im Raumdienst. Das ist die einzige Tatsache, die ich weiß. Aber – abgesehen davon – wer bin ich eigentlich?“
    „Wenigstens hat er dafür gesorgt, daß Sie die Erdenbürgerschaft bekamen“, fuhr Ragan bitteren Tones fort, und Kerwin wurde bewußt, daß er seine Gedanken laut ausgesprochen haben mußte. „Meiner hat sich nicht einmal darum gekümmert.“
    „Jetzt hört mir zu, ihr beiden“, warf Ellers mit beleidigter Miene ein. „Das soll doch eine Feier sein! Trinkt aus!“
    Aber Ragan stützte das Kinn auf die Hände und sah Kerwin an. „Dann sind Sie also eigentlich hierhergekommen, um Ihre Eltern, Ihre Verwandten zu
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