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Die Blume von Surinam

Die Blume von Surinam

Titel: Die Blume von Surinam
Autoren: Linda Belago
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bedingt. Vor allem Masra Martin, der ältere der beiden Jungen, maulte morgens oft, er wäre noch müde und hätte keine Lust. »Ach, nun los«, motivierte Karini ihn dann immer, wenn sie ihm frisches Wasser für die Morgentoilette brachte, die Vorhänge aufzog und den Nachttopf abholte.
    »Du hast leicht reden, du musst ja nicht jeden Tag in die Schule«, erwiderte Masra Martin dann oft missmutig.
    Karini versetzte diese Antwort immer einen kleinen Stich. Täglichen Unterricht hatte sie nur auf der Plantage.
    In der großen Trockenzeit zwischen August und Dezember zog Karini mit ihrer Mutter und den beiden jungen Masras gemeinsam auf die Plantage Rozenburg, die mehrere Stunden flussaufwärts im Hinterland lag. Masra Henry und Masra Martin wurden im Haus von einem eigens dafür eingestellten Hauslehrer unterrichtet, und Karini ging, wie alle Kinder aus dem Arbeiterdorf, bei Tante Fiona zur Schule. Die war nicht ihre leibliche Tante, aber im Plantagendorf sprachen die Kinder alle älteren Frauen mit Tante an.
    Vor dem Jahreswechsel, zu Beginn der kleinen Regenzeit, zogen die Jungen mit Karini und ihrer Mutter wieder in das Stadthaus nach Paramaribo, um dort bis August die Schule zu besuchen. Dieser Rhythmus wurde in ganz Surinam vom Klima bestimmt. Die große Regenzeit zwischen Mitte April und August brachte nicht nur schwere Gewitter, sondern auch Heerscharen an Moskitos mit sich, was in der Stadt angenehmer zu ertragen war als auf Rozenburg, das zwischen Wald und Fluss lag. Dort hingegen ließ sich die stetig zunehmende Hitze während der großen Trockenzeit besser aushalten als in der Enge der Stadt. Misi Juliette, die Mutter von Masra Henry und Ziehmutter von Masra Martin, kam zwar im Dezember zunächst mit nach Paramaribo, um die Jungen zu verabschieden und um Geschäftliches zu erledigen, lebte aber die meiste Zeit des Jahres mit ihrem Mann, Masra Jean, auf Rozenburg und reiste nur selten in die Stadt. Der Spagat zwischen Plantagen- und Stadtleben war sicher nicht leicht für die Misi, und die Trennung von den Jungen fiel ihr jedes Mal sichtlich schwer. Aber sich bequem dem gediegenen Stadtleben hinzugeben, wie andere Frauen, ohne auf der Plantage mitzuhelfen, das war nicht die Art von Misi Juliette. Sie bestieg sogarmanchmal ihr Pferd und ritt in die Felder. Das war zwar eher unschicklich für eine Dame, aber ihr Einsatz hatte sich gelohnt, das hatte Karini mitbekommen. Rozenburg hielt den schlechten Zeiten in der Kolonie wacker stand. Karini war stolz, den Namen der Pflanzung auch in ihrem Nachnamen tragen zu dürfen. Misi Juliette hatte allen Sklaven Namen mit Rozen... gegeben, und Karini nannte ihren Namen gerne, ganz im Gegensatz zu vielen anderen Sklaven, deren ehemalige Besitzer ihnen Nachnamen wie Faulermann oder Waschweib gegeben hatten.
    Nachnamen trugen die ehemaligen Sklaven überhaupt erst seit ihrer Befreiung, sie waren seither sogar zur Pflicht geworden, auch wenn sich auf der Plantage im Alltag niemand darum scherte. Ebenso wenig wie um die Hautfarbe, die noch zu Zeiten des Sklavenstands eine wichtige Rolle gespielt hatte. In der Stadt hingegen achtete man immer noch sehr darauf, wessen Hautfarbe eine Nuance heller war, hier fühlten sich die hellhäutigeren Mulatten den tiefschwarzen, ehemaligen Arbeitssklaven immer noch überlegen. Trotzdem spürten auch sie den gesellschaftlichen Wandel, denn es ging nicht mehr darum, wer Sklave gewesen oder Mulatte war, sondern vielmehr darum, wer Arbeit hatte und wer nicht. Zumal Mulatten nach wie vor keine niederen Arbeiten und auch, wie schon zur Sklavenzeit, keine Arbeit auf den Plantagenfeldern verrichten durften. Karini wusste nicht genau, warum das so war. Ihre Mutter hatte angedeutet, dass es mit den Vätern der Mischlingskinder zusammenhing, die nicht wollten, dass ihre Kinder Sklavenarbeit verrichteten. Warum das allerdings für die Schwarzen nicht galt, verstand Karini nicht.
    Karini fand manche Regelungen in der Kolonie sehr verwirrend. Sie fühlte sich eher den Weißen verbunden, außerdem waren Masra Henry und Masra Martin ihre besten Freunde.
    Karinis Mutter Kiri war einmal die Leibsklavin von Misi Juliette gewesen. Nach der Abschaffung der Sklaverei hatte Misi Juliette Kiri einen Arbeitsvertrag angeboten, wie ihn von diesemZeitpunkt an alle ehemaligen Sklaven für die Übergangszeit von zehn Jahren nachweisen mussten, und Kiri war gerne bei ihr auf Rozenburg geblieben, wie die meisten Sklaven der Plantage. Die Misi hatte einige schlimme Jahre
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