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Die Blume von Surinam

Die Blume von Surinam

Titel: Die Blume von Surinam
Autoren: Linda Belago
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gut ist?«, hatte sie skeptisch gefragt.
    »Vielleicht gibt es in diesem Niederland nicht genug Arbeitskräfte, und die Engländer helfen nun aus. Oder … es soll doch ein sehr wohlhabendes Land sein, vielleicht müssen die Menschen dort schon nicht mehr selbst die Arbeit verrichten.«
    Kadirs Antwort konnte ihre Zweifel nicht zerstreuen, aber letztendlich musste auch Sarina sich eingestehen, dass die Zukunft nicht viel, sondern eher weniger für sie bereithielt. Und sie hatte ihrem Mann zu folgen, egal, wohin er ging. Sie mussten versuchen, ihr Glück selbst in die Hand zu nehmen. Also hatte Kadir, gemeinsam mit zwei weiteren Familienvätern aus dem Dorf, den Zweitagesmarsch zur englischen Verwaltung auf sich genommen und sich und seine kleine Familie als Kontraktarbeiter für die niederländische Kolonie Surinam angemeldet.
    Ein Vertrag, den Kadir nicht einmal lesen konnte, hatte das Unterfangen besiegelt. Wenige Wochen später waren sie bereits nach Kalkutta aufgebrochen, um das Schiff zu besteigen, das sie ihrer neuen Zukunft im fernen Surinam entgegenbringen würde.

Een beetje wit
    Ein bisschen weiß

    Surinam 1876–1877 Paramaribo, Plantage Rozenburg

Kapitel 1
    K arini Rozenberg wippte mit den Beinen. Heute fiel es ihr wirklich schwer, geduldig zu sein. Wie jeden Tag saß sie auf der kleinen Mauer, die den Schulhof umgab, und wartete darauf, dass es zur Pause läutete. Zweimal am Vormittag war es ihre Aufgabe, vom Stadthaus der Plantage Rozenburg in Paramaribo zur örtlichen Schule zu gehen, um den beiden jungen Masras Martin und Henry die Pausenmahlzeit zu bringen, die Karinis Mutter Kiri zuvor zubereitet hatte. Um zehn Uhr jeweils ein Glas Milch und ein Brot. Um zwölf je ein Glas Saft und eine kleine Mahlzeit. Karini war mit dieser Aufgabe nicht allein, um sie herum warteten jetzt mehrere dunkelhäutige Jungen und Mädchen darauf, dass die blanken , wie die Farbigen in Surinam alle Weißen bezeichneten, in die zweite Pause entlassen wurden. Die Gläser auf dem Tablett, das auf ihren Knien lag, gaben ein leises Klirren von sich, weshalb sie mitten in der Bewegung verharrte und ihren Blick über das Tablett gleiten ließ. Erleichtert stellte sie fest, dass alles noch an Ort und Stelle stand, der Inhalt der Gläser nicht übergeschwappt war und die kleinen Mahlzeiten in ansehnlicher Weise auf den Tellern lagen.
    Karini seufzte. Gegen Mittag hatte sie es immer besonders eilig. Wenn sie gleich ihren Auftrag erfüllt hatte, würde sie schnell zurück zum Stadthaus laufen, das Geschirr in der Küche abgeben, sich in der kleinen Hütte im Hinterhof, die sie gemeinsam mit ihrer Mutter bewohnte, waschen, umziehen und dann selbst zum Unterricht in der Missionsschule von Pater Benedikt laufen. Karini wusste, dass diese erst nach der Abschaffung der Sklavereiin Surinam vor fast dreizehn Jahren gegründet worden war; seither musste sich jeder Sklave taufen lassen, was ihm den Besuch von Gottesdiensten und den Kindern den Besuch des Schulunterrichts ermöglichte, zumindest bis zum zwölften Lebensjahr. Gewöhnlich fingen die farbigen Kinder im Alter zwischen zwölf und vierzehn Jahren an zu arbeiten, und nur wenige Kinder hatten wie Karini das Glück, die Schule noch länger besuchen zu dürfen. Manche Eltern, überwiegend ehemalige Sklaven der Plantagen, schickten ihre Kinder auch gar nicht zur Schule, sondern ließen sie in den Häusern oder auf den Pflanzungen schuften. Die wenigsten Plantagenbesitzer nahmen die Schulpflicht für die schwarzen Kinder ernst, und die Kolonialverwaltung hatte nicht viel Einfluss auf die unzähligen Kinder im Hinterland. Misi Juliette und Masra Jean aber, denen die Zuckerrohrplantage Rozenburg gehörte, der auch sie und ihre Mutter angeschlossen waren, bestanden darauf, dass alle Kinder dort Unterricht erhielten.
    Für Karini waren es die letzten Monate in dieser Schule, sie wurde bald vierzehn Jahre alt. Sie liebte den Unterricht und das Lernen und war stolz auf ihre Fortschritte: Sie konnte fließend lesen und schreiben und sogar das Rechnen fiel ihr leicht. Karini war schon immer neidisch auf Masra Henry und Masra Martin gewesen, weil diese jeden Morgen zum Unterricht gehen und den ganzen Vormittag in der Schule verbringen durften. Wie viel Zeit sie zum Lernen hatten! Und wie lange sie lernen durften! Ihr eigener Unterricht beschränkte sich auf wenige Stunden am Nachmittag und das auch nur an drei Tagen in der Woche. Die beiden Jungen allerdings teilten Karinis Begeisterung nur
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