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Die Belagerung der Welt - Romanjahre

Die Belagerung der Welt - Romanjahre

Titel: Die Belagerung der Welt - Romanjahre
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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das epische Material dabei sei, aus dem der Canto gewonnen werde, sei's gut. Vielerorts bleibe es in der Privatluft hängen. Vielleicht. Aber ein Sprachbuch. Man nehme mir übel: Arroganz, das durch und durch Unsolidarische, das bis zum Verleumderischen gehe.
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    Aus Brief an Gerhard Hoehme:
    Es sind tatsächlich schwierige Zeiten eben jetzt, ich könnte sie als »Prüfung« bezeichnen. Denn weit über den finanziellen und prestigemäßigen Mißerfolg hinaus hat mir das Buch etwas eingebracht, das man als Animosität empfinden
muß. Eine Animosität, die durch den Vorwurf Canto hindurch auf meine Person abzielt. Ich habe vielleicht einiges von der hochgespannten Verlagsstimmung unbewußt assimiliert und also auch manifestiert – wie hätte das anders sein können, wo man mich unter Bedingungen, wie man sie sonst nicht kennt, zum Verlag geholt, beim Verlag behandelt hat und wo man mein Manuskript in einer Weise quittierte, die schöner nicht zu wünschen gewesen wäre: als ein »ganz wichtiges Suhrkamp-Buch«, als »bedeutende Arbeit«, als »echte Dichtung«? Wenn ich mich zurückdenkend befrage, dann scheint's mir schon möglich, daß mir so der »Kamm schwoll«, mehr als er es ohne diese Behandlung getan hätte, und daß ich mich schon selbstverständlich in die Prominenz einreihte (ich wurde ja auch von der Prominenz selbstredend aufgenommen). Ich erwähne das, weil Du mir einen Vorwurf in dieser Richtung machst, wenn Du schreibst, ich habe nur allzu deutlich mein Talent zur Schau getragen. Das war mir allerdings nicht bewußt. Wenn ja, bin ich ganz einfach dem Literaturbetrieb nicht gewachsen gewesen. Aber Du tust ja geradezu so, als sei durch das Buch das Gegenteil von Talent erwiesen. Da würde ich mich doch sehr dagegen verwahren. So niedergeschmettert bin ich auch wieder nicht, daß ich an meinen Realien zweifelte. Ich empfand das Buch bei Abschluß des Manuskripts als Äußerstes, das mir möglich war, als gelungen, wenn ich auch an manchen Stellen vielleicht ein ungutes Gefühl hatte, aber überall da war mir Besseres nicht möglich gewesen. Ich hatte im großen Ganzen den Eindruck, auf Grund und in meinem Revier angekommen zu sein und auch etwas Exemplarisches unternommen zu haben. Ich habe nämlich wirklich mit meiner Ohnmacht der Themenlosigkeit ernst gemacht und konsequent aus Banalität Sprache, das heißt Wirklichkeit gezimmert.
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    Neulich, als ich nachts noch kurz vor Kneipenschluß in die Bierhalle gegenüber gehe, die ich überhaupt nicht mag, weil das Essen unter qualmiger Gestankentwicklung auf den Tisch kommt, aber ich bin hin, da ich noch nicht heim mochte und einen anderen Ausflug der späten Stunde wegen nicht mehr riskieren konnte … neulich also sitze ich an diesem Biertisch, und schon geht das ganze Theater mit dem Hund los. Zuerst nähert sich dieses magere etwa 50jährige Gestell mit den Schwindsuchtbäckchen, die sich als besondere Freundin meines Hundes aufspielt und ihm immer Leckerbissen bringt.
    Aber nun kommen noch all die italienischen Küchentiger hinter dem Büffet hervor und umstehen unseren Tisch, und da sagt doch wirklich so eine schwarzhaarige Hexe in weißem Schürzenkleid: »Der arme Hund, immer wird er so angebrüllt von seinem Herrn«, und meint mich damit. Die schauen ja immer in mein Zimmer und auf mein Blatt in der Maschine, wenn sie Pause machen und sich auf diesen Mansardenbalkönchen ergehen und schnaufen wie die Kühe. Die können mir geradewegs ins Zimmer langen von gegenüber, mich stört's nicht. Aber dieselben Fremdarbeiter-Mägde, die doch mit Hunden nicht umzugehen wissen, sich fürchten und durch ihre Furcht den Hund zum Bellen reizen, dieselben schönen Italiener, für die ein Hund ein Herrensymbol, wenn nicht die Strafpetarde des Padrone ist, weshalb ihr Instinkt der Abwehr durchaus richtig und verständlich wäre … dieselben Wesen wollen mich nun plötzlich zum Hundeschinder stempeln. Haben vielleicht meine liebevollen rauhen Spiele mißgedeutet, wenn wir uns balgen und der Kerl glücklich grollt und tollt. Oder wenn ich weggehe und ihn einmal allein lasse – mag sein, daß er mir nachgebellt hat. Und jetzt bin ich der Tierquäler in ihren Augen. Auch gut.
    Aber vielleicht hat es wirklich etwas auf sich. Vielleicht ist
diese Kammer, die mir langsam
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