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Die beiden Nachtwächter

Die beiden Nachtwächter

Titel: Die beiden Nachtwächter
Autoren: Karl May
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der Nase in eine Schnupfdose gerathen ist.
    „Heiliger Knieriem, ist das ein Wetter! Der Schnee
    fällt so dicke, daß er Einen von einer Seite auf die andere
    schiebt. Ich möcht nur wissen, wem die Beine da unten ei-
    gentlich sind, über die ich immer hinwegstolpere. — Hat
    Eins — nein, wart’ ’mal, na weiter ists noch nicht — hat
    Eins geschlagen! Lobt den Herrn!“
    Er versuchte, mit der Schnarre einen Wirbel zu schla-
    gen, aber — rrrrrr, flog sie ihm aus der Hand und über
    die Gasse hinüber. Ganz erstaunt blieb er stehen und sah
    sich um.
    „Wer ist denn der Kerl, der mir die Schnarre aus der
    Hand schlägt, he? Will Er mir sie wohl gleich wiederholen!“
    Als keine Antwort erfolgte, schritt er selbst nach der Stelle,
    wo er sie vermuthete, bückte sich nieder und — stand
    im nächsten Augenblick mit allen Vieren im Schnee. Er
    gab sich alle Mühe, die Balance zu behalten; vollends nie-
    der wollte er nicht, in die Höhe konnte er nicht, weil ihm
    der Kopf zu schwer wurde, und so stand er bewegungslos
    wie ein Turnerbock auf der Erde, bis er endlich doch das
    Gleichgewicht verlor und sich kräftig auf die Seite legte.
    Glücklicher Weise kam er dabei mit der Hand auf die ver-
    lorne Schnarre zu liegen.
    „Ja, wenn Keiner ’was findet, ich darf nur zugreifen —
    gleich hab ichs. Geschick, das ist die Hauptsache! Wenn
    ich nur wieder in die Höhe wär, da mag dann meinetwegen
    schnarren, wer will, ich laß sie mir nicht wieder aus der
    Hand schlagen!“
    Nach langer Anstrengung gelang es ihm, sich aufzu-
    richten, und nun gings im Zickzack wieder die Gasse ent-
    lang. Nach einiger Zeit blieb er stehen.
    „Gott sei Dank, da ist der ‚blaue Stern‘, und da steht
    auch der Omnibus. Jetzt muß ich eine Viertelstunde aus-
    ruhen, hahahaha, grad so, wie’s der Bachmann gemacht
    hat, der dumme Kerl. Fährt der Mensch von Wummers-
    hausen nach Ammerstadt und fängt hier an zu duten! Daß
    muß er doch merken, wenns fortgeht!“
    Er öffnete die Thür und guckte in das Innere des Wagens.
    „Nein, da gehe ich nicht rein, da ist mirs zu luftig. Im
    Rauchcoupee ists kleiner und also auch wärmer! Bin nur
    froh, daß ich heut den Spieß nicht mit habe; den brächte
    ich gar nicht hinein.“
    Mit vieler Mühe führte er seinen Vorsatz aus, setzte
    sich nieder und schlief ein. — — —
    Während dessen stak Bachmann zwischen seinen vier
    nackten Wänden und ärgerte sich ganz ingrimmig über
    die Thorheit, durch die er sich in solche Verlegenheit ge-
    bracht hatte. Mit den lebhaftesten Farben malte er sich die
    Schande aus, welche er zu erwarten hatte, und als er nun
    gar an die Schadenfreude dachte, welche Hillmann an den
    Tag legen würde, sprang er von der harten Pritsche auf,
    stürmte in dem engen Raume hin und her und rüttelte
    endlich mit aller Gewalt an der Thür, welche ihm den Weg
    zur Freiheit verschloß — — einen Laut der Freude stieß
    er aus, denn sie hatte nachgegeben.
    Das Holz, durch welches die eisernen Haspen in der
    Wand festgehalten wurden, war von der hier herrschenden
    Feuchtigkeit angegriffen worden und verfault. Ein kräf-
    tiges Andrücken mit der Schulter — ein lautes Krachen,
    Rasseln und Klirren, und die alte Thüre lehnte sich an die
    gegenüberliegende Wand des engen Ganges.
    Niemand konnte das Geräusch gehört haben, denn das
    altersgraue und baufällige Gebäude wurde, gebaut wie
    ein Schuppen, jetzt nur noch zur Aufbewahrung der Jahr-
    marktsbuden benutzt und hatte außerdem nichts als die
    Zelle aufzuweisen, welche als Interimsaufenthalt für unge-
    fährliche Inculpaten gebraucht wurde.
    Nicht weit vom Eingange lehnte sein Spieß, und da hing
    auch sein Horn an einer der Budenlatten, das wußte er.
    Nachdem er trotz der Dunkelheit beide gefunden, suchte
    er nach einem Ausgange. Das Thor war verschlossen, aber
    in der Vorderwand befanden sich einige Laden, die jeden-
    falls von innen zu öffnen waren. Er machte den Versuch —
    es gelang, und trotz seiner Korpulenz befand er sich nach
    wenigen Augenblicken im Freien.
    „Tausendsapperlot,“ athmete er erleichtert auf, „einmal
    eingesponnen und nicht wieder! Warte nur, Hillmann, Dir
    will ichs gedenken! Aber wie komme ich nach Wummers-
    hausen? Laufen kann ich doch in dem Wetter unmöglich,
    und hierbleiben? — nein das geht nicht. Halt, der Omni-
    bus geht ja jetzt bald wieder fort. Mit dem fahre ich — aber
    blind — wenn mich Niemand sieht, so ist die ganze Ge-
    schichte nicht wahr
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