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Die Behandlung: Roman (German Edition)

Die Behandlung: Roman (German Edition)

Titel: Die Behandlung: Roman (German Edition)
Autoren: Mo Hayder
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sich ebenfalls um. Auch wenn er es später nicht beschwören konnte, hatte der Mann den Eindruck, dass dort drüben unter den Bäumen etwas vorbeihuschte. Ja, ein dunkler Schatten, der sich rasch von der Rückseite des Peach-Hauses entfernte. Zunächst dachte er an ein Tier, weil der Schäferhund wie wahnsinnig bellte und an der Leine zerrte, doch dann war der Schatten rasch zwischen den Bäumen verschwunden. Neugierig zog er den widerstrebenden Hund zum Haus Nummer dreißig zurück und spähte durch den Briefschlitz.
    Diesmal begriff er sofort, dass in dem Haus etwas nicht stimmte. Auf der Innenseite der Tür lagen mehrere Briefe auf dem Boden, und die Treppenwand war mit großen Buchstaben besprüht.
    »Jack?«, rief Souness in den Lärm des über ihnen kreisenden Helikopters hinein. »Woran denken Sie gerade?«
    »Ich bin mir ganz sicher, dass der Junge irgendwo in diesem Park sein muss«, brüllte er zurück und wies mit dem Finger auf die Bäume. »Irgendwo dort drüben.«
    »Und woher wollen Sie wissen, dass er nicht längst wieder draußen ist?«
    »Glaube ich nicht.« Er bildete mit den Händen einen Trichter und beugte sich zu ihr vor. »Wenn er den Park inzwischen wieder verlassen hätte, müsste ihn jemand gesehen haben. Schließlich führen sämtliche Parkausgänge auf große Straßen hinaus. Der kleine Junge ist nackt, er blutet …«
    »WAS?«
    »ER IST NACKT, UND ER BLUTET. DAS DÜRFTE SELBST IN BRIXTON DEN EINEN ODER ANDEREN PASSANTEN DAZU VERANLASSEN, DIE POLIZEI ZU INFORMIEREN, MEINEN SIE NICHT?«
    Er ließ die Hände wieder sinken und beobachtete den Hubschrauber. Allerdings hatte er noch weitere gute Gründe für die Annahme, dass Rory sich noch in dem Park aufhielt. Schließlich wusste er, wie eine solche Kindesentführung normalerweise ablief: Sollte Rory nicht mehr am Leben sein, dann bestand statistisch eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass man ihn innerhalb eines acht Kilometer großen Radius um den Ort der Entführung auffinden würde, und zwar weniger als vierzig Meter von einem befestigten Weg entfernt. Weitere internationale statistische Erhebungen sprachen eine noch grausamere Sprache: Nach diesen Erkenntnissen würde der Entführer den kleinen Rory nicht gleich umbringen, sondern ihn noch etwa vierundzwanzig Stunden am Leben lassen. Außerdem sprachen die Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen dafür, dass bei der Entführung eines Jungen in Rorys Alter fast immer sexuelle Motive eine Rolle spielten. Und zusätzlich war unter solchen Umständen zu vermuten, dass es sich bei dem Täter um einen Sadisten handelte.
    Dass Caffery sich mit den Vorlieben und Gewohnheiten pädophiler Männer so gut auskannte, war kein Zufall: Er hatte es in der Vergangenheit schon einmal mit einem ganz ähnlichen Verbrechen zu tun gehabt. Allerdings lag die Geschichte schon siebenundzwanzig Jahre zurück. Damals war sein Bruder Ewan – im gleichen Alter wie heute Rory – am helllichten Tag verschleppt worden. Eigentlich hätte Caffery Souness beiseite nehmen und ihr vorschlagen müssen: Vielleicht wäre es besser, wenn Sergeant Logan die Ermittlungen leitet. Ich weiß nämlich nicht, ob ich nicht völlig ausraste, wenn wir diesen Dreckskerl kriegen.
    »UND WAS MACHEN WIR, WENN DIE MÄNNER DORT OBEN NICHTS FINDEN?«, brüllte Souness.
    »KEINE SORGE. DIE WERDEN SCHON WAS FINDEN.« Er hob das Funkgerät zum Mund und schaltete auf den Kanal des Helikopterkommandanten. »Neun neun, irgendwas Neues da oben?«
     
    Hundertfünfzig Meter weiter oben neigte sich der Kommandant in dem dunklen Cockpit so weit nach vorne, wie die Leitungen es zuließen, die ihn wie eine Nabelschnur mit dem Dach des Helikopters verbanden. »Hey, Howie? Die wollen wissen, was hier los ist – Howie.« Er konnte das Gesicht des Luftbeobachters nicht erkennen, der vornübergebeugt auf den Bildschirm starrte und dessen Augen hinter seinem Helm verborgen waren.
    »Ich tue, was ich kann. Sieht aus wie ein beschissenes Schneefeld, wie weiße Sauce. Ich kann nur Sachen erkennen, die sich deutlich bewegen.« Er betätigte einen Schalter, sodass sich die Hitze auf seinem Monitor plötzlich schwarz abbildete. Dann versuchte er es zunächst mit Rot und dann mit Blau. In manchen Fällen war es hilfreich, wenn man eine andere Farbe aktivierte, doch an diesem Abend verhinderte die diffuse Hitze, die von unten aufstieg, jedes klare Bild. »Können wir vielleicht noch mal ein paar Rechtskurven fliegen?«
    »Okay.« Der Pilot schwenkte nach
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