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Die Behandlung: Roman (German Edition)

Die Behandlung: Roman (German Edition)

Titel: Die Behandlung: Roman (German Edition)
Autoren: Mo Hayder
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sie ahnte, was in ihm vorging. »Am besten, wir gehen jetzt los und schauen uns mal etwas im Park um.«
    Draußen war inzwischen die Nacht hereingebrochen. Über dem Brockwell Park stand tief und rot der Mond am Himmel.
     
    Vom hinteren Ende des Donegal Crescent aus schien es, als würde sich der Brockwell Park kilometerweit erstrecken und den gesamten Horizont ausfüllen. Seine Hügel waren fast kahl, bis auf ein paar schäbige, unbelaubte Bäume auf der Kammlinie und eine Gruppe immergrüner Exoten auf dem höchsten Punkt. Am Westhang hingegen drängten sich auf einer mehrere Fußballfelder großen Fläche zahllose Bäume dicht aneinander: Bambus, Silberbirken und Kastanien. Die Bäume gruppierten sich um vier stinkende Weiher und sogen sogar die Feuchtigkeit aus dem Boden ringsum. Man konnte sich hier beinahe wie im Dschungel fühlen, und im Sommer schien es manchmal, als ob die Weiher dampften.
    Nur ein paar Minuten, bevor die Polizei gegen 20 Uhr 30 den Park abriegelte, ging an diesem Abend unweit der Tümpel ein einzelner Mann spazieren, dessen Miene seine innere Anspannung verriet. Roland Klare war ein einsamer Mann, der fast das Leben eines Einsiedlers führte, mit merkwürdigen Gewohnheiten und Phasen völliger Lethargie. Nur hier und da überkam ihn plötzlich eine unbegreifliche Sammelwut. Klare war gewissermaßen das menschliche Gegenstück eines Aaskäfers und konnte einfach alles gebrauchen. Den Park kannte er wie seine Westentasche, und er kam des Öfteren hierher, um Abfalleimer zu durchstöbern oder unter Parkbänken nach interessanten Fundstücken Ausschau zu halten. Die Menschen mieden ihn. Schon der penetrante Gestank, den er verströmte – eine Mischung aus ranzigem Schweiß und Urin -, hielt die Leute von ihm fern.
    Jetzt stand er, die Hände in den Taschen, unter den Bäumen und starrte auf einen Gegenstand vor seinen Füßen. Er hob das Objekt auf, betrachtete es aufmerksam und hielt es ganz nahe vor sein Gesicht, da es inzwischen fast völlig dunkel geworden war. Eine Pentax-Kamera – gute Marke, auch wenn das Gerät schon reichlich mitgenommen aussah. Roland Klare interessierte sich für Kameras. Zwischen all dem Müll, den er zusammengetragen hatte, verwahrte er irgendwo in seiner Wohnung drei kaputte Kameras und sogar diverse Bestandteile einer Dunkelkammer. Er steckte die Pentax rasch in die Tasche. Dann wühlte er in der Hoffnung auf weitere Fundstücke noch ein wenig mit den Füßen im Laub. Erst am Morgen hatte es kräftig geregnet, doch die gnadenlose Nachmittagssonne hatte das lange Gras bereits wieder getrocknet. Knapp einen Meter entfernt lag ein Paar rosa Gummihandschuhe, die Klare zusammen mit der Kamera in seiner Tasche verschwinden ließ. Als er nichts mehr fand, setzte er schließlich seinen Weg in der Dämmerung fort. Unter einer Straßenlaterne inspizierte er die Gummihandschuhe und fand, dass es sich nicht lohnte, sie zu behalten. Zu abgetragen. Also warf er sie in der Railton Road in einen Mülleimer. Aber die Kamera? Nein, eine solche Kamera, von der trennte man sich nicht so leicht wieder.
     
    Es war ein ruhiger Abend für India 99, den zweimotorigen Squirrel-Hubschrauber vom Luftstützpunkt Lippits Hill. Die Sonne war bereits untergegangen, und die Hitze und die niedrig hängende Wolkendecke machten der Mannschaft zu schaffen, also flogen die Männer möglichst rasch die zwölf Standardziele ab, die zu ihrer Runde gehörten – Heathrow, den Millennium Dome, Canary Wharf, etliche Kraftwerke, darunter auch das in Battersea. Sie wollten gerade einen weiter gehenden Kontrollflug unternehmen, als sich die Zentrale meldete. »Hallo, India Lima an India neun neun.«
    Der Kommandant hielt sich das Mikrofon vor den Mund. »Was ist los, India Lima?«
    »Wo sind Sie?«
    »Wir sind gerade über – hm, ja wo denn?« Er beugte sich ein wenig vor und blickte auf die erleuchtete Stadt hinunter. »Wandsworth.«
    »Gut. Eigentlich wollten wir ja India neun acht mit der Sache beauftragen, aber denen geht langsam der Sprit aus. Der Einsatzort liegt im Bereich TQ3427445.«
    Der Kommandant sah auf die Karte. »Ist das nicht der Brockwell Park?«
    »Richtig. Ein vermisstes Kind. Die Polizei hat das Gebiet zwar großräumig abgesperrt, aber dieser Inspector hat gesagt, dass ihr seine letzte Hoffnung seid. Er weiß nicht mal genau, ob das Kind sich überhaupt in dem Park befindet – nur eine Vermutung. Liegt ganz bei euch, ob ihr das übernehmen wollt.«
    Der Kommandant schob das
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