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Die Begnadigung

Die Begnadigung

Titel: Die Begnadigung
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Abendessen an.
    Am Sonntag fuhren sie hinaus ins Grüne. Franz Wottke hatte einen Wagen gemietet.
    »Alles von der Gehaltserhöhung und der Nachzahlung«, verteidigte er seine ausgesprochene Verschwendungssucht. »Einmal gelebt im Paradiese … Erna, man soll im Leben alles mitnehmen. In hundert Jahren ist alles vorbei, und dann ärgert man sich über jede Minute, die man sinnlos vertan hat. So, und jetzt fahren wir an den Plöner See und gehen ganz groß aus.«
    »Mit sechs Kindern? Willst du nachher das Restaurant renovieren lassen?«
    »Wenn wir mit unserem Mercedes vorfahren – es sieht ja keiner, daß er nur geliehen ist – wird man sagen: Ach, diese süßen Kinder. Wie temperamentvoll! Von wem haben sie denn das? – Und dann werde ich stolz sagen: Von der Mama!«
    Es wurde ein schöner Tag.
    Man aß im Gasthof am Plöner See. In einem großen Kahn ruderte Franz Wottke seine Familie über einen Teil des Sees. Erna hatte wenig von dem Vergnügen. Sie war ständig im Kahn beschäftigt, ihre Kinder vor dem Überbordgehen zu bewahren.
    Am Nachmittag tranken sie Kaffee in Malente-Gremsmühlen. Franz spielte mit den Kindern Verstecken. Zwei versteckten sich so gut, daß man sie eine halbe Stunde suchte. Sämtliche Gäste des Cafés beteiligten sich an der Suche und riefen in alle Winde die Namen der Verschollenen, bis man sie in einem großen leeren Blumenkübel auf der Terrasse entdeckte. Durch Zufall. Nur weil Franz Wottke nervös die Asche seiner Zigarre über den Blumenkübel abschnippte und jemand von unten »Au!« schrie.
    Müde und erschöpft lagen sie am Abend in den Betten. Sechs wuschelige Kinderköpfe, in den Händchen ein Andenken von der Fahrt. Auch Erna schlief. Sie lag auf der Seite, mit dem Gesicht zu Franz, und um ihre Lippen war ein Lächeln, so voller Glück und Zufriedenheit, daß es Wottke das Herz zusammenkrampfte.
    Leise ging er von Bett zu Bett.
    Irene … Peter … Maria … Ursula … Ludwig … Sabine.
    Er deckte Maria zu. Er stellte für Ursula und Peter ein Glas Wasser neben das Bett. Wenn sie aufwachten, tranken sie immer einen Schluck.
    Auf Zehenspitzen ging er dann zurück, zog die Steppdecke über Ernas Schulter und strich ihr ganz zart, damit sie nicht aufwachte, die blonden Haare aus der Stirn.
    Draußen, vor dem Siedlungshäuschen, wanderte der Mond durch die Wolken. Der kleine Garten mit den Kletterrosen und den Ginsterbüschen war eine silberne Zauberwelt.
    Franz Wottke saß am Fenster, den Kopf auf der Fensterbank.
    Er weinte.
    Mittwoch nachmittag kam Erna Wottke in die chirurgische Universitätsklinik. Block D, Zimmer 157, Privatstation Professor Dr. Runkel.
    Franz Wottke wollte es so. Er hatte bei seinem Chef einen Kredit aufgenommen und für vierzehn Tage im voraus bezahlt. Dr. Hansen hatte mit Dr. Färber gesprochen. Erna Wottke bekam ein Zimmer mit einem Balkon zum Klinikgarten. Noch eine Patientin lag mit ihr im Raum. Ein Uteruskarzinom.
    Franz Wottke trug den kleinen Koffer ins Zimmer 157.
    Er war zufrieden damit. Luft, Licht, Sonne und schöne Aussicht. Die Stationsschwester war jung und nett; Dr. Färber hatte er kennengelernt und gefunden, daß eine alle Sorgen dämpfende Wärme und Ruhe von ihm ausging. Professor Runkel war im Augenblick nicht zu sprechen.
    Franz Wottke packte den Koffer aus und legte die Sachen in den Wandschrank.
    Drei neue Nachthemden. Hochgeschlossen. Man weiß nie, wie die Schwestern auf tiefe Ausschnitte reagieren. Zwei Bettjäckchen, wenn es einmal ziehen sollte. Die Fellpantoffeln. Ein anderer, neuer Morgenrock. Großblumig, gesteppt, brav und bieder. Selbst Franz Wottke sah ein, daß der Traum aus Perlonspitzen und Rüschen nicht in die Klinik gehörte.
    Auf das Nachtschränkchen legte er eine Flasche Kölnisch Wasser, zwei Tafeln Nußschokolade, die Erna so gerne aß, Apfelsinen und ein Klappetui mit drei Familienaufnahmen. Franz und Erna Wottke im Kreis ihrer sechs Kinder, im Urlaub bei Tante Martha am Rhein.
    Erna lag bereits im Bett, als Franz den Koffer wieder zuklappte und unten in den Wandschrank schob.
    »Wie ist das Bett?« fragte er und sah zu der anderen Patientin. Sie schien apathisch, hatte den Kopf abgewandt und starrte gegen die weiße Wand.
    »Ganz gut«, flüsterte sie. »Aber nicht so wie zu Hause. Ich werde Heimweh haben, Franz.«
    »Es dauert ja nicht lange.« Er richtete sich auf und strich sich die grau werdenden Haare zurecht. »Vielleicht 'ne Woche oder höchstens zwei, hat der Doktor gesagt. Und wenn's auch länger
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