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Die Begnadigung

Die Begnadigung

Titel: Die Begnadigung
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Frau nichts merken. Gerade das Seelische ist ein wichtiger Heilfaktor.«
    »Sie wird nichts merken. Bestimmt nicht.« Werkmeister Wottke stand auf. Zwei Knöpfe seiner Jacke hatte er abgedreht. Er hielt sie zwischen den Fingern, als wolle er Dr. Hansen damit bezahlen. »Nur eins begreife ich nicht … Wie ist das möglich, Herr Doktor. Gleich, nachdem Erna den kleinen Knoten fühlte, ist sie doch …«
    Dr. Jens Hansen sah zum Fenster hinaus. »Der Kollege hatte eine andere Diagnose …«
    »Er hat sich geirrt?!«
    »Man kann bei solchen Knoten leicht geteilter Ansicht sein.«
    »Er ist also schuld?« Die Augen Wottkes wurden starr, und sein breiter Brustkasten wölbte sich. Plötzlich brach es aus ihm heraus. »Ich bringe den Kerl um, wenn Erna etwas geschieht!« schrie er. »Herr Doktor, ich bringe ihn um!«
    »Wir Ärzte sind auch nur Menschen«, sagte Dr. Hansen leise. »Haben Sie sich noch nie geirrt, Herr Wottke?«
    »Doch … aber da hing kein Leben dran!« sagte er. Dr. Hansen schwieg. Darauf gab es keine Antwort mehr.
    Mit einem leichten Schwips kam Franz Wottke nach Hause.
    Erna Wottke saß etwas mißmutig neben dem Herd, als er pfeifend in die Küche marschierte. Er trug einen Berg Kartons vor sich her, stellte sie auf den Tisch, drehte sich zu ihr herum und faßte sie um die Hüfte. Sie wehrte sich, schlug ihm auf die Finger und schob einen Stuhl zwischen sich und Franz.
    »Zwei Stunden warte ich schon«, sagte sie. Mit beiden Händen schob sie ihre Haare zurecht. »Und nun kommst du betrunken nach Hause. Was sind das für neue Manieren, Franz? Was sollen die Kinder von dir denken?! Überhaupt – was hast du alles mitgebracht?«
    Franz Wottke setzte sich auf den Küchentisch und ließ die Beine herunterbaumeln. Er nahm das erste Paket, zerriß die Kordel und öffnete die Schachtel. Ein Morgenrock aus Perlon, mit vielen Rüschchen und Schleifchen, quoll aus seinen Händen. Erna starrte ihn ungläubig an.
    »Für dich!«
    »So etwas Verrücktes!« Erna nahm das Gedicht aus Perlon und hielt es sich an. »Ich darin? Kannst du dir das vorstellen? Da hat der Kerl sechs Kinder und kauft solchen Blödsinn.«
    »Du siehst aus wie im Film.« Wottke riß ein Paket nach dem anderen auf. Auf dem Küchentisch stapelte er auf, was er in der Stadt gekauft hatte: Fellpantoffeln, einen modernen Stockschirm, eine seidene Bluse, Strümpfe aus Perlonnetz, ein Paar hochhackige Schuhe, ganz spitz, italienische Form. »Gondoliere …«, las Wottke vor, ehe er sie auf den Tisch stellte. Dann ein großes Paket … Stoff für die lang gewünschte Übergardine im Schlafzimmer. Eine Nachttischlampe mit eingebauter Spieluhr.
    Erna Wottke stand vor dem Berg von Kartons und ausgepackten Schönheiten. Ihr Kopf war hochrot geworden.
    »Bist du verrückt, Franz?« sagte sie laut.
    Er nickte. »Ja, Erna. Verrückt in dich verliebt …«
    »Zieh dich lieber aus und geh ins Bett …«
    Erna schüttelte den Kopf, ging zum Herd und wärmte das Abendessen.
    Sie sah dabei hinüber zu dem Perlonmorgenrock und den weißen Fellpantoffeln. »Woher hast du eigentlich das Geld, Franz?«
    »'ne Gehaltserhöhung.«
    »Und da gehst du hin und kaufst alles, was dir in die Quere kommt?!« Sie ließ den Holzlöffel los, streifte ihre Filzschuhe ab und stieg in die Fellpantoffeln. Sie hatten einen etwas erhöhten Absatz und streckten die Beine.
    Franz Wottke sah sie mit glänzenden Augen an. »Himmel, ich könnte auf mich selbst eifersüchtig werden, daß ich so was wie dich habe!« Er nahm den Morgenrock und hielt ihn Erna hin.
    »Zieh ihn an …«
    »Aber doch nicht jetzt, Franz …«
    »Gerade jetzt! Jetzt sofort!«
    »Franz …« Erna wurde verlegen. Der Kerl ist total verrückt, dachte sie. Was hat er bloß getrunken? »Die Kinder schlafen noch nicht …«
    »Zieh das an!«
    Er nahm sie an der Hand, zog sie aus der Küche weg über den Flur ins Schlafzimmer. Erna lachte, aber es war pure Verlegenheit. Sie nahm Franz den Perlonrock aus der Hand und warf ihn aufs Bett.
    »Zieh das an«, sagte Wottke. Er hielt das Perlongedicht wieder in der Hand.
    Da streifte Erna den Morgenrock über, band die Schleifchen zu, und er machte die Schranktür auf, damit sie sich in dem großen Innenspiegel sehen konnte.
    Erna drehte sich vor dem Spiegel. Wie jung ich aussehe, dachte sie. Und wie verliebt mich Franz ansieht.
    »Du«, sagte er leise. »Wenn du wüßtest, wie ich dich liebe …«
    »Franz …«, sagte sie leise, »Franz …«
    In der Küche brannte das
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