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Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)

Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)

Titel: Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)
Autoren: Robert Ludlum
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hastete in den ersten Stock hinauf. Ein Raum, offenbar sein Arbeitszimmer, war leer. Im Schlafzimmer sah sie ein ungemachtes Bett. Als sei er früh schlafen gegangen und dann irgendwohin gerufen worden. Sie wusste nur, dass Paul nicht zu Hause war.
     
    »Wo ist Andrea?« Belknaps Stimme klang etwas kräftiger, während er sich bemühte, wieder klar sehen zu können.
    »Ich dachte, Sie würden Andrea sein. Sie müsste jeden Augenblick kommen. Sie ist großartig, nicht wahr?«
    »Ja«, sagte Belknap. Der Raum schien sich erneut langsam zu drehen.
    »Sie sehen reichlich blass aus. Wollen Sie wirklich kein Sprite?«
    »Mir geht’s gut.«
    Brandon nickte. »Und wie ich höre, sind Sie gut.« Er sah verlegen zu Boden. »Sie hatten Schlimmes mit Andrea vor. Aber einer meiner dort eingeschleusten Männer hat rausgekriegt, wo sie war. Hat sie an Bord eines Hubschraubers gebracht. Sie wollte hierherkommen.«
    Andrea in Sicherheit? Aber durfte er der Botschaft – oder ihrem Überbringer – trauen? Besorgnis und freudige Erregung wechselten sich in ihm ab.
    »Mögen Sie Bach?«, fragte der Junge.
    »Dieses Stück schon«, sagte Belknap.
    »Mir gefällt alle mögliche Musik. Aber diese rührt mich immer besonders an.« Der Junge drehte sich nach der Tastatur um und fing an, einige Befehle einzugeben. Belknap konnte sehen, wie seine Schulterblätter sich unter dem dünnen Baumwollstoff des T-Shirts bewegten. »Kapitel sechsundzwanzig und siebenundzwanzig aus dem Evangelium des Matthäus.« Er drückte auf einen Knopf der Fernbedienung und stellte die Musik stumm. Dann zitierte er: »›Und um die neunte Stunde schrie Jesus laut und sprach: Eli, Eli, lama asabthani? das ist: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen‹?«
    Der Agent musterte ihn unsicher.
    »Keine Sorge, ich habe keinen Messiaskomplex«, versicherte Brandon ihm rasch. »Als Jesus älter wurde, hat er erfahren, dass sein Vater Gott war. Ich habe erfahren, dass mein Vater Gott spielt . Das ist etwas anderes, stimmt’s?«
    »Gott oder den Teufel. Schwer zu sagen.«
    »Finden Sie?« Der Junge erwiderte seinen Blick. »Manche behaupten, dem Teufel sei nie etwas Diabolischeres gelungen, als die Menschen davon zu überzeugen, dass er nicht existiert«, sagte er. »Will man’s mit dem Teufel aufnehmen, muss man dieses Prinzip auf den Kopf stellen.«
    »Die Menschen davon überzeugen, dass ein künstliches Wesen real ist«, sagte Belknap, der allmählich zu begreifen begann. »Und diese Geschichten … die haben nur dazu gedient, deine Autorität als Genesis zu stärken, nicht wahr?«
    »Klar doch. Haben Sie jemals bei Computerspielen mit vielen Teilnehmern mitgemacht? Man kann einen Avatar, ein fiktives Alter Ego, erschaffen und in die Welt hinausschicken. Davon verstehen Sie jetzt auch was, oder? Ich meine, Sie haben doch Senator K. gespielt, richtig? Hab ich mir gedacht.«
    Genesis war also eine elektronische Legende, nicht mehr, nicht weniger. Der Agent war ungeheuer beeindruckt. Eine mit Storys, Gerüchten und Erzählungen aufgemotzte Legende, deren Ruf sich durchs Internet und dann von Mund zu Mund verbreitet hatte. »Aber dahinter hat mehr gesteckt, nicht wahr?«, sagte Belknap, der jetzt laut nachdachte, drängend. »Als Genesis konntest du Riesensummen von einem Konto auf andere überweisen. Du konntest Leute anheuern, die dich nie gesehen haben, konntest befehlen, überwachen, belohnen, strafen. Du konntest unglaublich viel tun. Aber zu welchem Zweck?«
    Brandon schwieg sekundenlang. »Ich liebe meinen Dad. Ich meine, er ist mein Vater, nicht wahr?«
    »Aber er ist nicht nur dein Vater.«
    Der Junge nickte trübselig. »Er hat etwas geschaffen, das ihm zuletzt über den Kopf gewachsen ist. Etwas … Böses.« Das letzte Wort flüsterte er.
    »Dein Vater glaubt, dass der größte Nutzen für die größte Anzahl von Menschen jede Tat rechtfertigt«, stellte Belknap fest.
    »Ja.«
    »Und was glaubst du?«
    »Dass jedes Menschenleben heilig ist. Trotzdem bin ich kein Pazifist oder sonst was. Jemanden in Notwehr zu töten ist eine Sache. Aber man ordnet keine Tötungen nach festen Richtlinien an. Man rechtfertigt Morde nicht mit dem Rechenschieber.«
    »Du hast also Monate damit verbracht, Ereignisse durch Beauftragte zu veranlassen, die dich nie zu Gesicht bekommen haben, Geld zu überweisen, Befehle zu erteilen und Resultate zu überwachen – alles ferngesteuert, digital, nicht aufzuspüren. Und alles nur, um der Gruppe Theta das Handwerk zu
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