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Die Bäckereiüberfälle

Die Bäckereiüberfälle

Titel: Die Bäckereiüberfälle
Autoren: Haruki Murakami , Kat Menschik
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Neumondsichel bei Tagesanbruch.
    So rasch ich konnte, wickelte ich das Gewehr aus der Decke und richtete es auf die Gästeplätze, aber dort war nur ein Pärchen, vermutlich Studenten, die mit dem Oberkörper auf dem Plastiktisch lagen und tief und fest schliefen. Die beiden Köpfe und zwei Erdbeer-Shakes waren auf dem Tisch so systematisch angeordnet wie ein avantgardistisches objet d’art . Da die beiden wie Tote schliefen, war kaum zu befürchten, dass sie, wenn wir sie einfach schlafen ließen, unserer Operation besonders hinderlich sein würden. Deshalb richtete ich die Gewehrmündung auf die Theke.
    Insgesamt waren drei McDonald’s-Angestellte da. Das Mädchen hinter der Theke, der Filialleiter, Ende zwanzig, mit einem eiförmigen Gesicht von ungesunder Farbe, und ein schattengleicher, in der Küche hantierender Student, bei dem so etwas wie ein Gesichtsausdruck kaum auszumachen war.
    Die drei versammelten sich hinter der Registrierkasse und schauten gebannt wie Touristen, die in einen Inka-Brunnen starren, in die Gewehrmündung. Niemand schrie um Hilfe, und niemand ging auf uns los. Das Gewehr war furchtbar schwer, deshalb stützte ich es, den Finger weiter am Abzug, auf der Kasse ab.
    »Geld können Sie haben«, sagte der Filialleiter heiser. »Sehr viel ist es nicht, weil um elf Uhr abgerechnet worden ist, aber nehmen Sie ruhig alles. Wir sind versichert, es macht nichts.«
    »Eingangsgitter runter und die Leuchtreklame aus!«, sagte meine Frau.
    »Einen Moment«, sagte der Filialleiter, »das geht nicht! Wenn ich das Geschäft einfach schließe, bekomme ich Schwierigkeiten. Ich trage die Verantwortung.«
    Langsam wiederholte meine Frau ihren Befehl.
    »Besser du tust, was man dir sagt«, riet ich, denn der Filialleiter sah ziemlich unschlüssig aus. Eine Weile schaute er zwischen der Gewehrmündung auf der Kasse und meiner Frau hin und her, aber dann gab er auf, machte die Leuchtreklame aus und betätigte einen Schalter am Switchboard, worauf das Gitter am Eingang herunterrasselte. Ich passte die ganze Zeit auf, dass er in dem Tohuwabohu nicht einen Alarmknopf oder so was drückte, aber McDonald’s hat in seinen Läden offenbar keine Alarmanlagen installiert. Der Gedanke, dass man ein McDonald’s überfallen könnte, ist wohl noch niemandem gekommen.
    Das Pärchen am Tisch lag immer noch im Tiefschlaf, auch als sich das Gitter mit einem Lärm schloss, als würde ein Dutzend Blecheimer mit Baseballschlägern bearbeitet. So ein tiefer Schlaf war mir schon lange nicht mehr untergekommen.

    »Dreißig Big Mäc, zum Mitnehmen«, sagte meine Frau.
    »Ich gebe Ihnen noch Geld dazu. Dann könnten Sie doch in ein anderes Restaurant gehen und dort essen«, sagte der Filialleiter. »Die Bücher kommen total durcheinander. Ich meine …«
    »Besser du tust, was man dir sagt«, wiederholte ich.
    Die drei zogen ab in die Küche und begannen mit der Herstellung der dreißig Big Mäc. Der Student briet die Hamburger, der Filialleiter steckte sie zwischen die Brötchenhälften, und das Mädchen wickelte sie in weißes Einschlagpapier. Währenddessen sprach niemand ein Wort.
    Ich lehnte mich an den großformatigen Kühlschrank und richtete die Mündung des Schrotgewehrs auf den Bratrost. Dort lag das Fleisch, eine Reihe brauner Scheiben, und brutzelte. Wie ein Schwarm winziger unsichtbarer Insekten drang der süße Bratgeruch durch alle Poren meines Körpers, mischte sich ins Blut und reiste in alle Ecken und Winkel. Schließlich konzentrierte er sich in der mitten in meinem Körper entstandenen Hungerhöhle und setzte sich an deren rosafarbenen Wänden fest.
    Mir war danach, einen oder zwei der Hamburger, die weiß eingeschlagen an der Seite aufgehäuft wurden, zu packen und auf der Stelle zu verschlingen, aber da ich nicht sicher war, ob sich das mit unseren Absichten vertrüge, entschloss ich mich auszuharren, bis auch der letzte der dreißig fertig wäre. In der Küche war es heiß, ich begann unter der Skimütze zu schwitzen.

    Während sie die Hamburger zubereiteten, blickten die drei hin und wieder flüchtig in die Gewehrmündung. Ich kratzte mich ab und zu mit dem kleinen Finger der linken Hand am Ohr. Wenn ich aufgeregt bin, juckt es mich da nämlich immer. Sooft ich mich durch die Skimütze hindurch am Ohr kratzte, schwankte der Gewehrlauf unsicher auf und ab, was die drei einigermaßen entsetzte.
    Das Gewehr war nicht entsichert, sodass nicht zu befürchten war, dass sich ein Schuss lösen würde, aber das
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