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Die Auswanderinnen (German Edition)

Die Auswanderinnen (German Edition)

Titel: Die Auswanderinnen (German Edition)
Autoren: helga zeiner
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Elli, aber die hatte erst vor einem Monat ihr Baby bekommen und sprach seitdem über nichts anderes mehr. Und Shirley, die mit echtem Engagement das Opalmuseum ins Leben gerufen hatte und auch persönlich leitete, war bereits in ein Gespräch mit der Postfrau vertieft, das Jo Ann nicht unterbrechen wollte.
    Auf der anderen Seite des Raumes sah sie Mira, eine waschechte Australierin mit schottischen Ahnen. Leider waren diese Vorfahren in ihren Genen noch äußerst dominant und bescherten ihr eine lichtempfindliche Haut, die so dünn war, dass sie fast durchsichtig wirkte, und hellblaue, ebenfalls lichtempfindliche Augen. Mira war eine leidenschaftliche Opalsucherin. Jeden Winter kam sie für drei Monate nach Lightning Ridge, sperrte ihr Haus auf, überprüfte den Zustand ihrer Maschinen und Geräte und begann, sobald diese einsatzfähig waren, mit dem Schürfen. Sie kam immer alleine, ohne ihren Mann, den Schönheitschirurgen in Brisbane, der die schmutzige Arbeit in der Mine verabscheute.
    Mira blickte gerade in Jo Anns Richtung und sah wie Jo Ann auf sie zusteuerte.
    „Was machst du denn hier, meine Liebe. Heute ist doch gar nicht Mittwoch“, neckte sie.
    „Ach lass mich in Ruhe. Bei dem extremen Regen kann man doch wohl mal eine Ausnahme machen.“ Jo Ann fuhr sich mit den Fingern durch ihr immer noch tropfnasses Haar, strich sich die halblangen Haare aus der Stirn und wischte sich dann die feuchten Hände an ihrem Hemd ab.
    „Das kannst du laut sagen! So ein beschissenes Wetter habe ich überhaupt noch nie erlebt. Mein Bohrloch läuft über, es wird Tage, ach was, Wochen dauern, bis die Nässe wieder vollständig abgetrocknet ist. So schlimm wie diesmal war es noch nie!“ Mira fummelte in ihrer vorderen Hosentasche herum, zog eine Schachtel Zigaretten heraus und steckte sich eine an.
    Jo Ann widersprach ihr. „Letztes Jahr war es ganz genauso. Und vor fünf Jahren stand das Wasser sogar noch höher.“
    „Ach was“, Mira wedelte mit der Zigarette in ihrer Hand. „Letztes Jahr hat es im Juli genauso stark geregnet, aber danach war Schluss. Ich hatte nur fünf Tage, in denen ich nicht in die Mine konnte. Und vor fünf Jahren, bei der großen Überschwemmung, bin ich noch rechtzeitig nach Brisbane zurückgefahren. Da waren wir vorher gewarnt worden. Aber dieses Jahr? Wer hätte das gedacht? Die Meteorologen haben doch gepennt! Die Mine ist randvoll mit Wasser, ich kann absolut nichts tun und sitze jetzt seit zwei Wochen in diesem Scheißkaff buchstäblich auf dem Trockenen, während um uns herum das Wasser schwappt. Glaub mir, ich bin gestern rausgefahren, als es einmal kurz zu regnen aufgehört hat. Wollte nur mal sehen, was tatsächlich los ist, den Nachrichten kann man ja nichts glauben. Ich sage dir, gleich an der Kreuzung zur Fünfundfünfziger steht das Wasser schon bis zum obersten Pegel.“
    Der Castlereagh Highway war die Lebensader der Stadt, auf der allein man den Busch wieder verlassen konnte. Er führte im Süden nach Walgett und im Norden bis zur Grenze nach Queensland. Meist verlief er schnurgerade, aber niemals eben, und in den Senken sammelte sich nach einem heftigen Gewitter stets das Wasser. Am Wegrand waren deshalb rot-weiße Markierungsstäbe angebracht worden, an denen sich die Wasserhöhe ablesen ließ, eine unschätzbare Hilfe für die Fahrzeuge unterschiedlicher Höhe, die im Busch unterwegs waren.
    „Wie? Am Highway bis zum Anschlag? So hoch schon?“, fragte Jo Ann mit zusammengekniffenen Lidern.
    „Allerdings! Und ich sitze hier fest.“
    „Sag bloß nicht, dass es dich nach Brisbane zurückzieht. Oder wartet dein Mann dort etwa schon sehnsüchtig auf dich?“
    „Kaum, der ist zurzeit wohl der glücklichste Mann der Welt. Er weiß ganz genau, dass wir hier von der Außenwelt abgeschnitten sind, und bringt dem Regengott wahrscheinlich großzügige Opfer dar. Und seine untergewichtige, geistig minderbemittelte Sprechstundentussi schwebt bestimmt im siebten Himmel, weil sie ihm mal wieder glaubt, dass er sich nun endgültig von mir trennen wird. Wo er doch jeden Abend bei ihr vorbeischaut und es mit ihr treibt. Ich würde gerne zurückfahren, nur um den beiden den Spaß zu verderben.“
    „Nur deshalb?“
    „Natürlich, warum denn sonst? Vielleicht um mir jeden Morgen von neuem sein überhebliches Geschwätz anzuhören? Als ob es mich beeindrucken würde, wenn er Fünfzehnjährigen Plastiktitten einsetzt.“
    Jo Ann trank den Rest ihres Bieres aus und starrte ins leere Glas.
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