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Die Aufsteigerin

Titel: Die Aufsteigerin
Autoren: Martina Cole
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in deren Gesicht die Verblüffung stand, schüttelte ungläubig den Kopf. »Man weiß doch nie, was der Arsch vorhat. Nie weiß man das nicht.« Sie sprach mit breitem Cockney-Akzent, eine Spur Stolz im rauen Ton. Dieser Raufbold, dieser Säufer und Hurenbock, dieser mächtig große Kerl, mit dem sie in wilder Ehe lebte, blieb ihr ein Rätsel. Und gerade das machte ihn so anziehend, wie sie sich in nüchternen Momenten eingestand.
    »Ich muss mich langsam fertig machen und zur Arbeit. Cathy, tu mir einen Gefallen, Kleine. Bügel mir das rote Kleid.«
    Cathy ging in die Kochnische, stöpselte das Bügeleisen ein und breitete das sauberste Handtuch, das sie finden konnte, auf dem Tisch aus. Sie handelte ganz automatisch. In diesem Haushalt widersetzte man sich keinem Befehl, auch nicht, wenn er sich anhörte wie eine Bitte. Wenn man die Nacht überstehen wollte, sprang man unverzüglich, wenn es hieß »Spring!«. So einfach war das.
    Zwanzig Minuten später, nach einer Katzenwäsche und nachdem sie ihr Make-up vom Vortag mit einer dicken Schicht Schminke übertüncht hatte, war Madge in ihrem roten Kleid, das aus allen Nähten zu platzen drohte, fertig zum Arbeitsantritt. Sie kämmte sich das Haar noch ein letztes Mal nach hinten,
sah ihre Tochter an und sagte sanft: »Wie seh ich aus, Liebes?«
    Cathy lächelte das Zahnlückenlächeln einer weisen Siebenjährigen und sagte ehrlich heraus: »Du siehst hübsch aus, Mum. Richtig schön.«
    Das war die gewünschte Antwort.
    »Hol meine Tasche aus dem Schlafzimmer.«
    Cathy trollte sich und grinste Eamonn zu, der jetzt auf dem Schoß seines Vaters saß und in einer großen Handvoll Kleingeld nach Münzen für Chips kramte.
    Sie sahen einander in die Augen, erleichtert und ergriffen von kindlicher Freude über diese unerwartete Wendung. Normalerweise war der Mittwoch ein unberechenbarer Tag für die Kinder. Zur Mitte der Woche pleite und streitlustig, waren beide Elternteile im Allgemeinen übelgelaunt, wenn die Kinder aus der Schule kamen. Heute jedoch waren sie aus unerfindlichen Gründen gut gelaunt. Und wenn die Erwachsenen gute Laune hatten, waren die Kinder schier aus dem Häuschen.
    Wann war je an einem Mittwoch die Rede von Chips gewesen?
    Cathy kam mit der perlenbesetzten Tasche ihrer Mutter in die Küche zurückgehüpft. »Danke. Und du hast auch alles schön aufgeräumt, wenn ich heute Abend wiederkomme, hm?«
    Cathy nickte feierlich.
    Madge presste die Wange an die ihrer Tochter und lachte leise. Ihr Atem roch säuerlich nach billigem Scotch und Zwiebeln und traf Cathys empfindliche Nase wie der Verwesungsgestank eines schon seit Tagen toten Hundes.
    »Ich bring dir auch ein paar Chips mit, was sagst du?«
    Cathy nickte, darauf bedacht, nur nicht den Mund zu öffnen und den fiesen Geruch in ihren Körper zu lassen.
    Es klopfte an der Tür, und sie nutzte das als Vorwand, um zu entkommen. Es würde Betty sein, die Freundin ihrer Mutter. Die beiden arbeiteten gemeinsam in einer kleinen Pinte in Custom
House, wo sie ausländischen Seeleuten Drinks servierten und auch sonst noch gewährten, worauf die Seeleute aus waren. In Gegenwart von Eamonn Senior wurde darüber jedoch nie gesprochen, es sei denn, er selbst brachte das Thema auf. Obwohl er doch trank und aß, was das so verdiente Geld auf den Tisch brachte, und die beiden Frauen manchmal sogar zur Arbeit fuhr, tat er so, als wisse er von nichts. Bis er dann mal wieder, zweimal im Monat oder so, beschloss, Madge windelweich zu prügeln, um seinen Standpunkt klarzumachen. Und der war, dass er als Mann an dem Arrangement keinen Gefallen fand.
    Betty stolzierte in den kleinen Flur, eine wandelnde Max-Factor-Reklame im Mantel aus Biberlamm.
    »Hallo, kesse Cathy!« Die dröhnende Stimme passte nicht recht zur schlanken Gestalt. Betty Jones war so dünn, dass es bereits an Auszehrung grenzte, besaß aber die Konstitution eines Ackergauls, wie sie jedem erzählte, der es hören wollte. Sie drückte Cathy ein Dreipennystück in die Hand und zwinkerte ihr zu.
    Cathy betete Betty an. Eamonn Junior betete Betty an. Eamonn Senior hasste sie, und das beruhte auf Gegenseitigkeit.
    Madge eilte in den Flur und streifte dabei ihren Kaninchenfellmantel über. Der wies zwar schon hier und da kahle Stellen auf, war aber bei dem Schnee, der jetzt lag, auf alle Fälle wärmer als die Leinenjacke, die sie sonst trug.
    »Mädchen, der Mantel löst sich doch gleich in Wohlgefallen auf! Dein Kerl müsste mal einen neuen spendieren. Der
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