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Die Angstmacher

Die Angstmacher

Titel: Die Angstmacher
Autoren: Anja Krueger
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Unfallhergang und das von Steinhardt beschriebene Krankheitsbild nicht zusammenzupassen. Damit beginnt eine Reihe von bis heute andauernden Merkwürdigkeiten. Beide Seiten beschreiben das Geschehen gleich, aber werten es unterschiedlich.
Psychotest statt Untersuchung
    Es beginnt mit einem »Schadenregulierer« des Rückversicherers GenRe, der sich bei Uwe Steinhardt meldet. Die Debeka schaltet den Rückversicherer ein, weil sie Unterstützung bei der medizinischen Bewertung haben will, sagt sie. Inzwischen hat der Versicherer Unterlagen über die wirtschaftliche Situation von Steinhardts Firma eingeholt. Die machte Verluste. Das lässt die Sache für den Versicherer verdächtig erscheinen. Der Schadenregulierer ist Arbeitsmediziner. Er ruft bei Uwe Steinhardt an und will zu ihm nach Hause kommen. »Für die Untersuchung wollte er ein Feldbett mitbringen«, erinnert sich der Familienvater. Danach will der Arbeitsmediziner mit allen Personen in der Firma des Verunglückten sprechen. Das alles findet der Vermessungstechniker seltsam. Er lehnt den Besuch ab.
    Schließlich treffen sich der Arbeitsmediziner, Uwe Steinhardt und seine Tochter in einer Dortmunder Klinik. Dort spricht der Schadenregulierer stundenlang mit Steinhardt, nach etwa sechs Stunden kann der nicht mehr. Die körperliche Untersuchung soll an einem anderen Tag nachgeholt werden. Sie wird nie stattfinden. Der Arbeitsmediziner schreibt erst nach vier Monaten einen Bericht. Trotz Mahnung. Er hat selbst gesundheitliche und familiäre Probleme und wohl zu viele Aufträge angenommen, findet die Debeka später heraus. Da ist es August 2009, der Unfall ist zwei Jahre her.
    Auch beim nächsten Versuch, ein Gutachten zu bekommen, geht einiges schief – was nicht Uwe Steinhardt zu verantworten hat. Ein Professor der Universitätsklinik Erlangen soll für eine interdisziplinäre Untersuchung sorgen, neben neurologischen Schäden sollen orthopädische und wegen des anhaltenden Schwindels auch Schäden am Ohr untersucht werden. Das ist der Auftrag, den die Debeka gibt, und das ist die Voraussetzung, unter der Steinhardt nach Erlangen fährt. Doch aus dem interdisziplinären Gutachten wird nichts. Warum nicht, kann sich die Debeka nicht erklären. »Da ist etwas in der Universitätsklinik schiefgelaufen, das ist nicht unsere Schuld«, sagt Hauptabteilungsleiter Karl-Heinz Löhr. Das Ergebnis ist ein psychiatrisches Gutachten. Danach ist Uwe Steinhardt wegen somatoformer Störungen zu 20 Prozent berufsunfähig. Ab 25 Prozent muss die Debeka zahlen. Die Hauptbeschwerden von Steinhardt werden völlig außer Acht gelassen.
    Dafür machen die Mediziner einen Test, um Uwe Steinhardts Bereitschaft zur Mitarbeit zu prüfen. Das ist heute bei psychiatrischen Gutachten so üblich, sagt Debeka-Arzt Gottwald. Dem Test zufolge strengt sich Steinhardt bei den Untersuchungen nicht an. Selbst wenn das so gewesen sein sollte: Wäre das ein Wunder? Uwe Steinhardt hatte zu diesem Zeitpunkt, Jahre nach dem Unfall, von der Debeka einen aus seiner Sicht seltsamen Schadenregulierer geschickt bekommen. Er musste stundenlange Gespräche mit einem Mediziner über sich ergehen lassen, der nicht willens oder fähig war, anschließend in angemessener Zeit ein Gutachten zu schreiben. Dann musste er nach Erlangen fahren und sich statt der erwarteten körperlichen Untersuchung Psycho-Tests stellen. Dass allein dieser Ablauf einen höchst merkwürdigen Eindruck macht, wissen auch die Verantwortlichen bei der Debeka. »Das alles ist uns sehr unangenehm. Aber sollen wir deshalb eine Berufsunfähigkeitsrente zahlen, von der wir nachweislich wissen, dass sie nicht berechtigt ist?«, fragtHauptabteilungsleiter Löhr. »Nachweislich« stützt sich auf ein einziges neurologisches Gutachten. Der Erlanger Psychiater, der die zugesagte Organisation der interdisziplinären Untersuchung nicht hinbekommen hat, hat eine weitere neurologische Untersuchung empfohlen, die auch stattgefunden hat.
    Im Mai 2010 soll Uwe Steinhardt noch einmal nach Erlangen. Weil er krank wird, kann er nicht fahren. Schließlich wird er in Essen von einem Neurologen untersucht. Der kann nichts Gravierendes finden. In seinem Gutachten ist die Rede von »Aggravation«, das ist der Fachbegriff für die Übertreibung von Krankheitserscheinungen. Steinhardt reicht weitere Gutachten ein, auch zu nicht neurologischen Beschwerden wie Sehstörungen und Schwindelanfällen. Geprüft werden sie von dem Neurologen, er entscheidet für alle
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