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Die Alchemie des Bösen: Roman (German Edition)

Die Alchemie des Bösen: Roman (German Edition)

Titel: Die Alchemie des Bösen: Roman (German Edition)
Autoren: Gordon Dahlquist
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hatte alles zerstört, davon war sie überzeugt. Sie hatte Kardinal Chang geküsst. Sie hatte seine Lippen auf ihren gespürt, hatte ihre Zunge in seinen Mund gesteckt, war unter seinem festen Griff, mit dem er ihren Körper gepackt hatte, erschauert. Miss Temples linke Hand zog Kreise auf der Innenseite ihres Oberschenkels, während die Finger ihrer Rechten weiter hinabglitten und ihre Erregung zu einem Brennen steigerten. Sie wehrte sich gegen den Druck der Erinnerungen des blauen Glases, folgte ihrem eigenen Verlangen, der glitschigen Nässe unter ihren Fingern. Ein Hauch von Bitterkeit aus den Erinnerungen des Comte – sie verdrängte ihn, biss sich auf die Lippe und konzentrierte sich. Chang hatte sie weggestoßen und sich aufgebäumt, als ihn die Klinge der Contessa traf – sie spreizte die Beine und stellte sich vor, wie er dazwischen lag und sein herrliches Gewicht auf ihren Leib herabsenkte. Ihr Daumen bewegte sich in kleinen Kreisbewegungen, und sie stöhnte, wobei sie ein schreckliches Ereignis in ihrem Gedächtnis ignorierte und sich Kardinal Chang öffnete. Er hatte ihren zitternden Körper aus dem Meer geholt, nachdem das Luftschiff gesunken war – sie ließ zwei Finger noch tiefer hineingleiten –, er hatte sie im Arm gehalten, beinahe nackt und blass vor Kälte. Sie stemmte den Fuß gegen die Wand, hielt ihr Verlangen fest, während sie wie ein Schiff durch die Meeresgischt durch den Lärm in ihrem Geist pflügte. Sie wusste, dass er tot war, selbst als die Erinnerung an seine kraftvollen Beine sie einer beinahe schmerzhaft brechenden Welle nahebrachte. Sie wusste, dass sie allein war, sogar als sie schließlich den Höhepunkt erreichte und ihre Brust rot wie bei einem Vogel wurde – und sie ihr Herz wie nie in ihrem Leben öffnete und es weit über die lebende Welt hinauswarf.
    In dieser Nacht schlief sie fester und erwachte erst nach fünf anstatt nach drei Stunden. Mit einem entschlossenen Grunzen wälzte sich Miss Temple auf den Bauch, das Gesicht tief in ihr Kissen vergraben, die Finger unter dem Körper. Diesmal war es einfacher, die fremden Erinnerungen auf Abstand zu halten – parfümierter Serail, Beichtstuhl, die Rückseite eines holpernden Waggons. Sie ließen sich durch die eindringlichen Erinnerungen an Chang verscheuchen. Als sie erneut ermattet dalag, das Kissen feucht von ihrem warmen Atem, begann Miss Temple zu schluchzen. Sie putzte sich die Nase mit dem Kissenbezug. Nach einer weiteren Stunde unruhigen Schlafs stand sie auf und strich sich das Haar aus den verquollenen Augen.
    Sie saß noch immer in ihrem Unterkleid am Schreibtisch, als Marie Stunden später hereinkam, eine mit einem Band verschnürte Schachtel in Händen.
    »Das kommt von unten, Miss – gerade rechtzeitig für Ihren Tag …«
    Auf Miss Temples kurzes Nicken hin stellte das Dienstmädchen die Schachtel aufs Bett und riss das Papier im Innern auf. Zum Vorschein kam ein neues Paar Stiefeletten aus grünem Leder. Das alte Paar war in den Kleiderschrank gestellt worden, zerrissen und zerkratzt in zahllosen gefahrvollen Situationen. Sie zog ihr Unterkleid hoch, und Marie zog ihr nacheinander beide an. Miss Temple bog den Fußrücken nach oben und spürte den Druck des harten, neuen Leders. Sie ging zum Kissen und schob es hoch, und das Messer kam zum Vorschein. Mit Leichtigkeit glitt die Klinge in die schmale Scheide, die der Schuhmacher – unter Protest – in den rechten Stiefel eingenäht hatte. Sie ließ das Hängerchen fallen und bemerkte Maries besorgten Ausdruck.
    »Auf mit dir, Marie!«, befahl sie. »Zuerst Tee, und dann frag, welche Früchte heute frisch sind.«
    Mr. Pfaff schickte ihr vier weitere Männer für ein Vorstellungsgespräch ins Boniface – ehemalige, aus dem Kolonialdienst entlassene Soldaten –, arbeitslose Männer, die daran gewöhnt waren, Befehle auszuführen, und keine Angst vor dem Kämpfen hatten. Als die Männer in einer Reihe vor ihr standen, jeder ein gutes Stück größer als sie, stellte sich Miss Temple vor, wie die Contessa jedem ein besonderes Lächeln schenkte und auf ihre erkaufte Loyalität eine zarte Schicht Begehren klebte. Miss Temple war nicht hässlich – wenn ihr Gesicht auch ein wenig zu rund war, so hatte sie doch wohlgeformte Gliedmaßen und sämtliche Zähne im Mund –, aber sie wollte von diesen Männern nicht begehrt werden. Sie gab ihnen Geld, wobei sie mit kalten grauen Augen ihrem Blick begegnete, als sie die Münzen an sich nahmen.
    Schlagartig fiel ihr
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