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Die Affäre Mollath - kompakt: Der Mann, der zu viel wusste

Die Affäre Mollath - kompakt: Der Mann, der zu viel wusste

Titel: Die Affäre Mollath - kompakt: Der Mann, der zu viel wusste
Autoren: Uwe Ritzer , Olaf Przybilla
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blicken lässt, wie man sie in zweifelhaften Systemen vermutet, nicht aber in Deutschland. Und was das Schlimme, das Unbehagliche an dieser Affäre ist: Es drängt sich der Eindruck auf, es könnte jeden treffen, so wie den ehemaligen Oldtimerrestaurator aus Nürnberg. Er geriet in einen verhängnisvollen Sog, der irgendwann nicht mehr zu stoppen war. Der Mann konnte tun und lassen, was er wollte – es wurde immer alles gegen ihn ausgelegt.

    Wie konnte es so weit kommen? Alles nur Bequemlichkeit der Beteiligten? Lediglich eine Kette handwerklicher Fehler – oder steckt doch mehr dahinter? Handelt es sich beim Fall Mollath »nur« um ein multiples Organversagen des Rechtsstaates? Ist er das Opfer eines in Routine erstarrten Zusammenspiels von Richtern und Sachverständigen, wo einer sich auf den anderen stützt und kein Raum mehr ist für selbstkritisches Nachfragen? Oder wusste der Mann schlichtweg zu viel? Kam er einigen einflussreichen Menschen bedrohlich in die Quere, und musste er deshalb ausgeschaltet und weggesperrt werden?
    Psychiater und Juristen haben sich immer wieder an der Frage nach Mollaths Schuld abgearbeitet – oder, besser gesagt: Sie haben so getan, als ob sie sich daran abarbeiteten. Denn wer die Akten im Fall des Gustl Mollath in chronologischer Reihenfolge liest, den beschleicht schnell das beängstigende Gefühl, einer Kette von Unterschleif zu folgen. Einer über weite Strecken sogar erschreckenden Abschreiberei von Richtern und Gutachtern, schlimmer als in der undiszipliniertesten Schulklasse, und dann zum Teil auch noch mit haarsträubenden sachlichen Fehlern. Es dominiert die Oberflächlichkeit. Gutachter, die einander anscheinend blindlings glauben und sich gegenseitig in ihrer Einschätzung bestätigen. Es gibt Urteile und andere zentrale Dokumente von enormer Tragweite, die gespickt sind mit Fehlern.
    Gustl Mollath landete überhaupt erst vor Gericht, weil er seine Frau übel verprügelt haben und auf gefährliche Weise Autoreifen von Menschen aufgestochen haben soll, die er für Widersacher hielt. Ob das tatsächlich so war, dafür gibt es keinen Beweis, und es gibt auch kein Geständnis. Gesetzt den Fall, es war so – dann hätte ein als gesund eingestufter und bis dahin nicht vorbestrafter Angeklagter vermutlich eine Freiheitsstrafe auf Bewährung erhalten. Tatsächlich landete Mollath als schuldunfähig, aber krank weggesperrt in der geschlossenen Psychiatrie. Auf unbestimmte Zeit.
    Dass sein Fall 2013 im Zuge eines Wiederaufnahmeverfahrens neu überprüft wird, ist nicht politischen Aktivitäten, nicht selbstkritischer Prüfung oder gar der Einsicht von Justiz und Gutachtern zu verdanken. Sondern ausschließlich der jahrelangen Hartnäckigkeit seiner Unterstützer und den Recherchen von Medien, die Stück für Stück die Abgründe dieses Falles aufdeckten und erdrückende Beweise vorlegten, die gegen die Rechtsstaatlichkeit dieses Verfahrens sprechen.
    Ende Februar 2013 reicht der Hamburger Rechtsanwalt Gerhard Strate im Namen seines Mandanten Gustl Mollath bei der Strafkammer am Landgericht Regensburg ein Wiederaufnahmegesuch ein. Strate gilt nicht nur als einer der profiliertesten deutschen Strafrechtler, sondern auch als Spezialist für Wiederaufnahmeverfahren. Sein Urteil im Fall des Nürnbergers: Gustl Mollath ist das Opfer »vorsätzlicher Rechtsbeugung«. Über Jahre hinweg seien im Umgang mit ihm von Gerichten »elementare Gewährleistungen eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens missachtet worden«. Und zwar im Fall des fatalerweise wichtigsten Richters in dieser Causa »sehenden Auges und mit Vorbedacht«. Das ist so ziemlich der schlimmste Vorwurf, den man einem Richter in einem Rechtsstaat machen kann.
    Wenige Wochen nach Strate beantragte auch die Staatsanwaltschaft Regensburg beim dortigen Landgericht, den Fall Mollath vor Gericht neu aufzurollen. Es ist sehr, sehr selten, dass eine Anklagebehörde ein rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren im Nachhinein korrigiert haben will, zugunsten des Verurteilten. Doch zu erdrückend waren die Hinweise und Belege dafür geworden, dass in der Affäre Mollath vieles nicht mit rechten Dingen zugegangen war.

    Rückblick: Die erwähnte Kollegin vom Rundfunk formuliert ihre Frage nach dem Geisteszustand und der Gefährlichkeit Gustl Mollaths Anfang Dezember 2012. Zu diesem Zeitpunkt tobt seit drei Wochen ein in seiner Heftigkeit so nie erwartetes, öffentliches Beben. Am 13. November 2012 hatten das ARD-Politmagazin Report
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