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Die Achte Suende

Die Achte Suende

Titel: Die Achte Suende
Autoren: Philipp Vandenberg
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Natur aus eher dem eigenen Geschlecht zugetan und an ähnlich verlaufende Symptome von Hysterie gewöhnt, zeigte sich weniger beeindruckt, gab jedoch zu bedenken, die Prozedur könne die psychische wie die physische Natur der Signora überfordern. »Ich rate dringend, den Vorgang abzubrechen«, rief er in das Schreien, Jammern und Winseln, das die Schöne von sich gab.
    Don Anselmo schien es zu überhören.
    Aus der Flasche mit dem Weihwasser bespritzte er erneut die tobende Signora. Ihre gequälte Stimme hatte inzwischen eine solche Lautstärke angenommen, dass der Exorzist selbst mit erhobener Stimme zu rufen begann: »Ich befehle dir, wer auch immer du bist, unreiner Geist, und allen deinen Gefährten, die diese Dienerin Gottes beherrschen, dass du deinen Namen sagst, den Tag und die Stunde deines Ausgangs, mit irgendeinem Zeichen. Und du sollst mir, Gottes unwürdigem Diener, durchaus in allem gehorchen. Noch sollst du diesem Geschöpf oder den Anwesenden irgendwelchen Schaden zufügen!«
    Kaum hatte Don Anselmo seine Beschwörung beendet, begann die schöne Signora mit aller Kraft, zu der ihre Stimme noch fähig war, zu schreien. »Hilfe, Hilfe. Hört mich denn niemand? Hilfe, Hilfe!«
    Ihre Rufe waren so laut, dass der Padre dem Studiosus ein Zeichen gab, er möge der Signora ein Kissen über den Kopf stülpen, damit nicht das ganze Haus zusammenlaufe.
    »Hören Sie auf, das können Sie nicht tun!«, herrschte der Dottore den Studiosus an und versuchte ihm das Kissen zu entreißen.
    Doch mit Gottes Hilfe und der geballten Kraft seiner Jugend stieß dieser den Neurologen zur Seite, sodass er strauchelte und zu Boden stürzte.
    »Das muss ich mir nicht bieten lassen!« Der Dottore schäumte vor Wut, rappelte sich hoch und humpelte dem Ausgang zu. »Betrachten Sie unsere Zusammenarbeit als beendet«, rief er im Gehen. Dann krachte die Tür ins Schloss.
    Das Kissen über ihrem Kopf dämpfte die Schreie der schönen Signora. Ihre konvulsiven Bewegungen, mit denen sie sich aus den Fesseln zu befreien suchte, dauerten an.
    Ihr Anblick entfachte bei dem Studiosus immer neue, sündige Gedanken. Wie, dachte er, mochten sich erst die Engel des Himmels präsentieren, wenn schon der Teufel auf Erden solch verführerische Gestalt annahm?
    Don Anselmo, von alters wegen solchen Gedanken eher abhold, ließ sich nicht davon abhalten und fuhr fort, sein Werk zu vollenden:
    »Ich beschwöre dich, alte Schlange, bei dem Richter über Lebende und Tote, entweiche eilends von dieser deiner Magd, die zum Schoß der Kirche Zuflucht nimmt. Es gebietet dir Gott der Vater. Es gebietet dir Gott der Sohn. Es gebietet dir Gott der Heilige Geist. Es gebietet dir der Glaube des heiligen Apostels Paulus. Es gebietet dir das Blut der Märtyrer. Es gebietet dir die Fürsprache aller Heiligen. Es gebietet dir die Stärke des christlichen Glaubens. Weiche also, du Verführer, du Feind der Tugend.«
    »Don Anselmo, Don Anselmo!«, rief der Studiosus. »Sehen Sie nur!« Er zitterte am ganzen Körper.

Kapitel 1
    Alberto, der Fahrer des Kardinals, drückte das Gaspedal des kleinen Fiat so tief durch, dass der Motor aufheulte wie ein gequältes Tier.
    Kardinal Gonzaga saß aufrecht und steif wie eine ägyptische Statue auf dem Rücksitz. Mit belegter Stimme krächzte er: »Wir müssen vor Tagesanbruch am Ziel sein!«
    »Ich weiß, Excellenza!« Alberto blickte auf die Uhr, die grün auf dem Armaturenbrett leuchtete: zweiundzwanzig Uhr zehn.
    Schließlich erwachte der Beifahrer neben Alberto aus seinem Schweigen. Seit sie kurz hinter Florenz auf der Autostrada A 1 in Richtung Bologna eingebogen waren, hatte der Monsignore kein Wort von sich gegeben. Monsignor Soffici, der Privatsekretär des Kardinals, war gewiss kein großer Schweiger. Doch in dieser Situation schnürte ihm die Aufregung die Kehle zu.
    Soffici räusperte sich gekünstelt. Dann meinte er, während er den Blick nicht von den Rücklichtern eines vorausfahrenden Wagens ließ: »Es ist keinem damit gedient, wenn wir im Straßengraben landen, Ihnen nicht und der heiligen Mutter Kirche schon gar nicht – wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, Excellenza!«
    »Ach was!«, zischte Gonzaga unwillig und wischte sich mit dem Ärmel seines schwarzen Jacketts über den schweißnassen Kahlkopf. Die Hitze der schwülen Augustnacht machte ihm zu schaffen.
    Alberto beobachtete ihn im Rückspiegel.
    »Es war Ihre Idee, Excellenza, die Sache mit meinem Privatwagen durchzuführen. Ihr Dienstwagen hätte
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