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Dicke Hose (German Edition)

Dicke Hose (German Edition)

Titel: Dicke Hose (German Edition)
Autoren: Mia Morgowski
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aushalten, mir sind sie ein Graus. Ich habe bereits einen anstrengenden Job, einen anstrengenden Chef, und mein Sexleben ist ebenfalls anstrengend, weil ich gerade keins habe. Auf keinen Fall möchte ich mich auch noch mit einer anstrengenden Frau umgeben. Weder beruflich noch privat.
    Aber ich gebe nicht auf. «Von diesem Zimmer geht übrigens der Balkon ab», erkläre ich für den Fall, dass Dr. Liebig es noch nicht selbst gesehen hat. «Es bietet sich Ihnen ein phantastischer Blick über den Hafen. Sogar die Kreuzfahrtschiffe am anderen Elbufer können Sie beobachten – ist das nicht ein Traum?»
    Ich preise die Aussicht, als wäre sie mein Verdienst. Zwar ist der meditative Klang meiner Stimme dahin, aber Dr. Liebigs Gesicht lässt mich Hoffnung schöpfen. Mit zahnärztlicher Präzision begutachtet er das Hafenpanorama.
    «Wunderbar», brummt er, und ich kann mir gut vorstellen, wie er mit derselben Betonung «Oben rechts fehlt der Zweier» sagt.
    «Gefällt es dir auch, Britney-Spatz?»
    Nicht doch!, denke ich. Nicht die Frau fragen, niemals! Die wird hier doch sowieso bald wieder ausziehen. Spätestens, wenn sie mit ihren Nägeln versehentlich seine Eier perforiert hat, sucht der sich eine andere. Ich würde ihm allerdings wünschen, er fände vorher eine.
    Als könnte Britney-Spatz meine Gedanken lesen, stößt sie ein unentschlossenes «Also, ich weiß ja nicht» aus und galoppiert lautstark aus dem Raum. Nicht ohne schwungvoll die Tür hinter sich zuzuwerfen. Vielleicht denkt sie beim nächsten Shopping-Bummel mal über ein Paar Hausschuhe nach?
    Langsam reicht es mir. Diesen Quatsch zahlt einem doch kein Mensch. Und obwohl man sich in diesem Beruf tagtäglich den Mund fusselig sabbelt, hält sich kein Gerücht so hartnäckig wie das, Immobilienmakler würden für wenig Arbeit viel Geld verdienen. Schwachsinn. Wer so etwas behauptet, hat nicht nur keine Ahnung von der Branche, er kennt auch meinen Chef nicht.
    Friedrich von Klatt, Inhaber und Geschäftsführer von Hambitare Immobilien, ist ein moderner Sklaventreiber. Tag und Nacht lässt er seine Angestellten schuften, bezahlt dafür allerdings weniger als eine fernöstliche Textilfabrik ihren Akkordnähern. Und seine Anrufe nachts um 4 Uhr, bei denen er über schlechte Formulierungen in Exposés doziert, zähle ich schon gar nicht mehr. Er ist ein Schlitzohr. Ein Ausbeuter. Ein Teufel! Aber nicht ohne Charme, versteht sich. Sonst hätte er es in diesem Beruf vermutlich nicht so weit gebracht. Mit Sicherheit war es sein Charisma, das ihm – in Verbindung mit feudalen familiären Wurzeln und einem adeligen Nachnamen – dazu verholfen hat, sich in der Immobilienbranche einen ausgezeichneten Ruf zu verschaffen. Und wer für Friedrich von Klatt gearbeitet hat, findet später überall einen Job. Verkaufen, behauptet er immer, könnten seine Mitarbeiter alles. Selbst die Gartenlaube der eigenen Großmutter.
    Ein Job bei Hambitare ist nicht selten das Sprungbrett auf dem Weg nach ganz oben. Direkt in den Schoß internationaler Firmen.
    Dummerweise funktioniert dieses Prinzip auch andersherum. Wer von Friedrich von Klatt gefeuert wurde, sollte besser auswandern. Oder sich zum Hausmeister umschulen lassen.
    Ich bin vor etwa einem Jahr zu Hambitare gestoßen. Eigentlich mehr aus Zufall. Jedenfalls hatte ich nicht wirklich damit gerechnet, den Job zu bekommen. Doch Friedrich von Klatt gefiel mein Name. «Alexander Held …», sagte er andächtig, «dann zeigen Sie mal, ob an Ihrem Nachnamen etwas dran ist!»
    Seit diesem Tag schleuse ich nun tagtäglich gut bis weniger gut betuchte Interessenten durch Hamburger Immobilien, vorrangig in der Hafencity. Ich beantworte Fragen, auf die einen keine Ausbildung der Welt vorbereitet hat, verhandele Verkaufspreise, veranlasse notwendige Gutachten und schlage mich mit Verwaltungen herum. Nein, wenig Arbeit hat bei Hambitare höchstens Friedrich von Klatt. Erst bei der Vertragsunterzeichnung erwacht er zum Leben. Dann geschieht es nicht selten, dass er einem in letzter Sekunde dazwischengrätscht und kaltlächelnd die Verkaufsprovision in die eigene Tasche steckt. Ein mieser Schachzug, denn diese Provisionen sind das Einzige, womit man bei Hambitare ein paar zusätzliche Euro einstreichen kann. Und ein warmer Regen für mein Konto wäre derzeit mehr als willkommen. Nicht nur könnte ich mit diesem Geld endlich die letzte Rate für meinen Flachbildfernseher bezahlen, ich würde es außerdem nächste Woche im Urlaub so
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