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Dichterliebe: Roman (German Edition)

Dichterliebe: Roman (German Edition)

Titel: Dichterliebe: Roman (German Edition)
Autoren: Petra Morsbach
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passieren. Seine literarischen Ideen bringt er im Gestus des Gauners vor, der sich den Scherz der Ehrbarkeit erlaubt. In Wirklichkeit darf er gar keinen Gewinn machen, hat mir Jakob erklärt, der sich als firm ausgibt in Kapitalismus. Der Verlag sei ein Abschreibungsmodell. Um auch das zu verbergen, täuscht Kadletz strenge Wirtschaftlichkeit vor, zumal im Umgang mit Autoren. Meine Rolle in dieser Konstruktion: Ich soll seine Ideen verwirklichen, seine Ernsthaftigkeit bestätigen und seinen Gewinn sichern, indem ich einen Verlust verursache, für den ich allein aufkomme, mit meinem Herzblut, meinen Ressourcen, meiner Zeit. Leider war ich zu geschwächt, um ihn vom Barhocker zu stoßen. Deswegen spottete ich nur ein bißchen. Die Liebe, haha, öfter mal was Neues.
    Er aber geriet in Feuer. » Das ist es! Die Liebe unter DDR -Aspekt! Liebe als einziger Freiraum in den Zwängen der Zone. Das muntere Liebesleben der Ossis, war es nicht legendär? Und dann die neuen Bedingungen nach der Wende. Keine Pornographie, du verstehst mich, obwohl ich deine Zurückhaltung in dieser Sache unzeitgemäß finde, sondern eben im gesellschaftlichen Spannungsfeld … Kunst, Krise, Diktatur als Nebenthemen … das alles in Verschlingungen …«
    Ich dachte an die Nebenthemen und ihre Verschlingungen. Seltsamerweise nicht an Marita, die aktuelle Wunde, sondern an Franziska, die unbesiegbare Kunstmalerin. Die fröstelte etwa in ihrem kalten Atelier, und eine Stunde später hatte sie ein paar tolle rosa Weiber in dampfenden Badewannen gemalt. Ich ließ mich dort wärmen, aber als mein Hymnus an Franziska erschien, kippte auch diese Geschichte. Franziska schimpfte: » Du redest nur über dich!« Ich versuchte mich zu verteidigen: » Ich rede darüber, wie du auf mich wirkst.« – » Dich interessiert von allem immer nur, wie es auf dich wirkt«, und so weiter.
    » Und schließlich«, Kadletz in Exaltation, » wer, zu allen Zeiten, hätte besser Auskunft über die Liebe geben können als die Dichter?«
    » Das war immer ein Irrtum«, sagte ich. » Wir Dichter hätten aufstehen sollen gegen die Arroganz der Macht. Statt dessen machten wir uns wichtig auf Kosten der Frauen.«
    Ich war selbst nicht überzeugt von diesem Aphorismus, doch er schien Eindruck zu machen, ich sah sogar einen Schimmer von Respekt auf Kadletz’ Gesicht. » Versuch’s halt«, sagte er. » Von irgendwas mußt du schließlich deine Zigaretten bezahlen.«
    *
    Sidonie ist immer guter Laune, streunt durch den Garten und genießt. In plumpen Nietenhosen übrigens, keine Ahnung, warum sie bei ihrer Anreise so aufgedonnert war. Wollte sie auf uns Eindruck machen und will es jetzt nicht mehr? Haben wir sie enttäuscht? Habe ich sie enttäuscht? Nun, sie winkt freundlich, hält aber Abstand, wenn sie mich vor meinem Schafstall unter der Linde arbeiten sieht, hat Respekt … gut. Wenn ich winke, kommt sie sofort.
    » Herrlich«, sagt sie, » so ein Stipendium. An so einem schönen Ort, in dieser schönen Landschaft …«
    Was ist daran schön? Weit, flach, moorig, eine Art Sibirien.
    » Und jeden Monat tausendfünfhundert Mark!«
    Aber nur noch bis Dezember! Was dann?
    » Immerhin bis Dezember! Tolle Einrichtung, diese Stipendienstätten, und ich wußte bis vor kurzem nicht mal, daß es so was gibt!«
    Stipendienstätten.
    » Endlich Zeit und Freiheit zum Arbeiten, endlich unter seinesgleichen …«
    Deinesgleichen?
    » Ich habe jahrelang einen Roman geschrieben, ohne mit jemand reden zu können. Das war schon sehr einsam …«
    Einsam? Liebe, ich sehe dich an, du weißt nicht, wovon du redest.
    » Und dann so ein gutes Wetter!«
    » Bald werden die Tage kürzer …«
    » Aber jetzt sind sie lang!«
    Macht sie sich lustig über mich?
    » Warum sind Sie hergekommen?« fragt sie entwaffnend schlicht.
    » Gabriel hat mich eingeladen. Ich hätte keinen Antrag mehr gestellt.«
    » Gabriel Herzgeber? Unser Herbergsvater?«
    Wenn man’s so nennen will, ja. Gabriel Herzgeber, der Leiter des Künstlerhauses, kennt mich von früher und wollte helfen. Schlimm genug, daß das nötig war. Aber die Güte hat auch Nachteile. Zum Beispiel gilt meine Wohnung als Privileg, weil der Schafstall etwas abseits steht und im ersten Stock ein separates Schlafzimmer und ein Gästezimmer hat. Aber das Gästezimmer brauche ich nicht, mich besucht keiner, und mit dem Gipsfuß die Wendeltreppe raufzuklettern ist kein Spaß.
    » Ach, unsere Klausen sind auch alle im ersten Stock, und die Treppe ist viel
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