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Deutschland schafft sich ab - Wie wir unser Land aufs Spiel setzen

Titel: Deutschland schafft sich ab - Wie wir unser Land aufs Spiel setzen
Autoren: Thilo Sarrazin
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heraus, über dessen normativen und historisch geprägten Charakter wir uns nur selten wirklich Rechenschaft ablegen. Diese soziologischen, religiösen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stehen in ständiger Wechselwirkung mit den langfristig wirkenden Normen und Verhaltensweisen in einer Gesellschaft.
    Das vielfältige Scheitern entwicklungspolitischer Ansätze hat gezeigt, dass man Gesellschaften und Volkswirtschaften nicht einfach »machen« kann. Die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung nimmt in Zentralafrika und in den islamischen Ländern des Nahen Ostens einen anderen Verlauf als in Ostasien. Der kommunistisch beherrschte Teil Europas schlug einen anderen Weg ein als die westlichen Marktwirtschaften. Auch unter diesen gab und gibt es große Unterschiede, und zwar nicht nur zwischen den Ländern, sondern auch innerhalb derselben. Norditalien funktioniert auf andere Weise als Süditalien. In Schwaben wird es immer mehr Maschinenbau und
mehr Unternehmertum geben als in der Uckermark - und damit auch deutlich mehr Wohlstand. Dieser Wohlstand hat Wanderungsbewegungen ausgelöst und dazu geführt, dass die in Schwaben lebenden Menschen durchschnittlich einen höheren Intelligenzquotienten haben als jene in der Uckermark - wenn man glauben kann, was die Tests der Bundeswehr an ihren Rekruten ergaben haben 1
    Zwar gibt es keine wissenschaftlich vertretbare Methode, Gesellschaften mit unterschiedlichen Entwicklungswegen und unterschiedlichen Kulturen in ein Ranking zu bringen, 2 doch es lässt sich wohl leicht Einigkeit darüber herstellen, dass die Verhältnisse in Deutschland generell denen in Rumänien vorzuziehen sind, und auch darüber, dass das Leben in Rumänien gegenüber dem Leben im Sudan vorzugswürdig ist. Ferner wissen wir, dass die Lebensbedingungen im Sudan gar nicht so schlecht sein können, dass sie nicht immer noch besser wären als in Somalia. 3
    Setzt man voraus, dass die Menschen - abgesehen von genetisch bedingten Unterschieden in Intelligenz und Temperament - mit grundsätzlich ähnlichen Dispositionen zum Leben geboren werden, dann sind die Möglichkeiten, Institutionen und Systeme zu gestalten, nicht schrankenlos. Mit Edward O. Wilson kann man davon ausgehen, dass die biologische Evolution dem Menschen eine angeborene Disposition und Verhaltensbreite mitgegeben hat, die sich nur langsam auf dem Wege der weiteren biologischen Evolution ändert, dass aber innerhalb dieses der menschlichen Natur von der Biologie gesetzten Rahmens eine sehr variationsreiche kulturelle Evolution stattgefunden hat und weiter stattfinden wird. 4 Eine Erklärung des menschlichen Verhaltens und seiner Entwicklung ist nur möglich, wenn man beide Elemente betrachtet, denn menschliche Gesellschaften und der Mensch als Gattung beeinflussen ihr Schicksal vor allem über die Steuerung der kulturellen Evolution.
    Sucht man das Gemeinsame aller menschlichen Gesellschaftsformen seit Beginn der bekannten Geschichte, so stößt man auf folgende Konstanten der Menschheitsgeschichte:
    • Es gab stets soziale Organisationsformen, die über den bloßen Familienverband hinausgingen.
    • Es gab in diesen Organisationsformen stets eine Hierarchie.
    • Die Hierarchie der Organisationsformen beruhte stets wesentlich auf der Möglichkeit zur Gewaltausübung. Sie war stabiler, wenn sie religiös oder materiell legitimiert wurde, am besten war es, wenn beides zutraf.
    Stabile Gesellschaftsformen verbanden die Bereiche Politik, Kultur und Wirtschaft und zwar folgendermaßen:
    1. Politik: Klärung der äußeren Sicherheit durch militärische Gewalt sowie Klärung der internen Machtfrage, sei es durch Gewalt, sei es durch Tradition, sei es durch institutionelle Regeln; meist handelte es sich um eine Mischung dieser Elemente
    2. Kultur: Legitimation von Herrschaft und Hierarchie durch einen religiösen Überbau oder durch einen allgemein anerkannten Wertekanon
    3. Wirtschaft: Legitimation durch Gewährleistung von Sicherheit und der Möglichkeit zu materiellem Erwerb
    Je besser diese Bereiche organisiert und miteinander verzahnt werden konnten, umso stabiler waren die Gesellschaft und ihre staatliche Organisationsform, umso eher überstand sie Phasen interner Unruhen und externer Erschütterungen. Dazu einige Beispiele:
     
    Ägypten
    Der Wohlstand dieser 3000 Jahre währenden Hochkultur erwuchs aus der künstlichen Bewässerung des Niltals, deren allmählicher Ausbau eine komplexe staatliche Organisation hervorbrachte. Die äußere
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