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Des Reichtums fette Beute - Wie die Ungleichheit unser Land ruiniert

Des Reichtums fette Beute - Wie die Ungleichheit unser Land ruiniert

Titel: Des Reichtums fette Beute - Wie die Ungleichheit unser Land ruiniert
Autoren: Gustav A Horn
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seinen Mitgliedsstaaten genau diese Politik. Im Grundsatz geht man dabei von der
     Stabilität der Märkte aus. Zeitweilige Störungen, die nicht ausgeschlossen werden, sollten im Wesentlichen durch Automatismen
     in der Finanzpolitik wie zum Beispiel die gesetzlich geregelte Zahlung von Arbeitslosengeld oder, falls nötig, durch die von
     Tagespolitik unabhängige Geldpolitik bekämpft werden. Für Konjunkturprogramme und ähnliche Einzelentscheidungen der Finanzpolitik
     gibt es in dieser Lehre keinen Raum. Damit wird Wirtschaftspolitik im Kern als Störfaktor für ein reibungsloses Funktionieren
     der Märkte angesehen.
    Probleme treten nach dieser vorherrschenden Lehre in einem marktwirtschaftlichen System nur dann auf, wenn Märkte an ihrer
     freien Entfaltung gehindert werden. Gerne werden immer wieder rechtliche Vorschriften als aussagekräftiges Beispiel genannt,
     um diese These zu stützen. Insbesondere rechtliche und tarifvertragliche Regulierungen auf dem Arbeitsmarkt wurden in Deutschland
     als ein maßgebliches Hemmnis für wirtschaftliche Dynamik angesehen und entsprechend bekämpft. Aber auch auf den Finanzmärkten
     wurden in Kontinentaleuropa und vor allem in Deutschland beschränkende Vorschriften gelockert, um der zuvor vermeintlich gebremsten
     Dynamik dieser Märkte freien Lauf zu lassen.
    Die scheinbar moderne Wirtschaftspolitik von Rot-Grün
    Die Wirtschaftspolitik in Deutschland hinkte in dieser Hinsicht den internationalen Tendenzen sogar hinterher. Die Regierungen
     unter |19| Thatcher in Großbritannien und Reagan in den USA in den 1980er Jahren hatten ein klares wirtschaftspolitisches Profil. Der
     Markt, der – angeblich oder tatsächlich – durch staatliche Fesseln oder gewerkschaftliche Machtpositionen stranguliert war,
     musste von diesen Fesseln befreit werden. Gerade dieses angelsächsische Modell, das vermeintlich deutlich höhere Wachstumsraten
     erzeugte als das kontinentaleuropäische und vor allem der in Deutschland praktizierte rheinische Kapitalismus, der auf der
     Zusammenarbeit der Sozialpartner (Unternehmen und Gewerkschaften) basierte, wirkte höchst attraktiv. Also nahm die Wirtschaftspolitik
     in anderen Ländern es sich zum Vorbild. Dies war der Beginn des Aufstiegs neoliberaler Wirtschaftspolitik in Deutschland,
     die die Kooperation der Sozialpartner als ein Relikt der Nachkriegszeit betrachtete. Alles, was zählte, war der Markt.
    Gegen Ende der Ära Kohl machten sich selbst Parteien wie die SPD und Bündnis 90/Die Grünen, die zuvor eine durchaus kritische
     Haltung zum ungehinderten Wirken der Marktkräfte an den Tag gelegt hatten, mehrheitlich zu Fürsprechern einer »modernen« Wirtschaftspolitik
     (Bundeskanzler Schröder), die den ungehinderten Marktkräften eine entscheidende Rolle einräumte. Im Zuge eines auch von der
     britischen Labour-Partei vertretenen dritten Wegs sollten die Marktkräfte genutzt werden, um Arbeitslosigkeit zu bekämpfen
     und umweltpolitische Ziele zu erreichen. Man betrachtete das als mächtiges Gegenbild zu einer verkrusteten Wirtschaftspolitik
     der Regierung Kohl, deren Untätigkeit und Konsenssucht jeden wirtschaftspolitischen Aufbruch behinderte. Politisch entstand
     in dieser Zeit ein Bündnis, in dem sich die Gegner des rheinischen Kapitalismus mit politischen Linken und Linksliberalen
     zusammentaten. Die Linke versöhnte sich mit der Marktwirtschaft. Die kritischen Debatten der unmittelbaren Nachkriegszeit
     und der 1970er Jahre, als sich im Gefolge der 68er-Umwälzungen ebenfalls eine sehr marktkritische Haltung entwickelte, gehörten
     damit der Vergangenheit an. Eine neue Ära begann. Wie die Bundestagswahl 1998 zeigte, war dieses Bündnis von linker Politik
     und neoliberaler Wirtschaftspolitik |20| durchaus eine mehrheitsfähige Konstellation. Daran änderte auf Dauer auch die kritische Haltung des kurzzeitigen Finanzministers
     und SPD-Parteivorsitzenden Lafontaine und seiner Anhänger nichts. Sie blieben nicht lange in ihren Ämtern. Damit war der Weg
     frei für den Durchbruch einer Wirtschaftspolitik, die den ungehinderten Kräften des Marktes mehr Raum gab.
    Man kann die nachfolgende Zeit auch als eine Phase des linken Neoliberalismus verstehen, in der sich linke politische Inhalte
     wie die Verweigerung der Teilnahme am Irakkrieg oder der Ausstieg aus der Atomindustrie mit einer neoliberalen Wirtschaftspolitik
     paarten. Angefeuert wurde das Ganze von einer Opposition, die einen immer noch radikaleren
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