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Des Reichtums fette Beute - Wie die Ungleichheit unser Land ruiniert

Des Reichtums fette Beute - Wie die Ungleichheit unser Land ruiniert

Titel: Des Reichtums fette Beute - Wie die Ungleichheit unser Land ruiniert
Autoren: Gustav A Horn
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Deutschlands nicht von der Bereitschaft der Politik ab, den Arbeitsmarkt zu reformieren. 12 Die Zustände auf den Finanzmärkten waren im Grunde viel wichtiger, wurden aber lange missachtet – ein schwerwiegendes Versäumnis.
    Zunächst aber muss man sich fragen, woran der Erfolg überhaupt gemessen wird (und wie er überhaupt gemessen werden kann).
     Diese |33| Entscheidung ist alles andere als trivial. Im Kern geht es doch um folgende Fragen: Haben die Reformen die Arbeitslosigkeit
     reduziert oder haben sie die Beschäftigung erhöht? Im Idealfall hängt beides zusammen, dann wird die Arbeitslosigkeit durch
     mehr Beschäftigung abgebaut und Arbeitslose wechseln direkt aus der Arbeitslosigkeit in eine Beschäftigung.
    Allerdings tritt dieser Idealfall nicht zwangsläufig ein. So kann die Arbeitslosigkeit auch deshalb abnehmen, weil bei gleichbleibender
     Beschäftigung aus demografischen Gründen der Zustrom an Arbeitswilligen auf den Arbeitsmarkt abnimmt. Dies hätte dann gar
     nichts mit den Reformen zu tun, wohl aber mit der demografischen Entwicklung. Oder: Die Reformen halten – infolge des erhöhten
     Drucks, eine Beschäftigung anzunehmen – eigentlich Arbeitsunwillige davon ab, sich arbeitslos zu melden und die Grundsicherung
     und andere Leistungen in Anspruch zu nehmen. Diese Arbeitslosen würden zwar keine Beschäftigung aufnehmen, stattdessen aber
     in die sogenannte Stille Reserve des Arbeitsmarktes eingehen. Zu dieser Gruppierung zählen all jene, die sich entmutigt vom
     Arbeitsmarkt zurückgezogen haben, obwohl sie noch im erwerbsfähigen Alter sind. Die Beschäftigung steigt in diesem Fall nicht.
     Man kann dies als Erfolg der Arbeitsmarktreformen werten, weil staatliche Mittel effizienter ausgegeben werden. Der »Erfolg«
     kann aber auch darin bestehen, dass Menschen gezielt
entmutigt
werden, weiter nach Arbeit zu suchen. Dies ist also ein durchaus ambivalentes Resultat, obwohl die Arbeitslosigkeit sinkt
     oder zumindest nicht steigt.
    Anders sieht es für die Beschäftigung aus. Jede Zunahme dieser Größe ist ein Erfolg. Aber ist dieser Erfolg wirklich immer
     das Ergebnis der Reformen? Beschäftigung kann man außerdem auf unterschiedliche Weise messen. Die geläufigste Weise ist die
     in Köpfen. Es wird ermittelt, wie viele Menschen als Ergebnis der Reformen zusätzlich eine Stelle finden, also beschäftigt
     sind. Die Ökonomie hingegen verwendet als Maß für die Beschäftigung häufig die geleisteten Arbeitsstunden. Die Stundenzahl
     gibt den Umfang der gesamten Arbeitsleistung wieder, unabhängig davon, von wie vielen Menschen |34| sie geleistet wird. Das bedeutet auch, dass die Zahl der Arbeitsstunden sehr wohl steigen kann, ohne dass die Zahl der Beschäftigten
     es tut. Die Beschäftigten arbeiten dann einfach pro Kopf mehr; sie haben längere Arbeitszeiten. Der umgekehrte Fall gilt selbstverständlich
     auch: Bei unveränderter Zahl der Beschäftigten wird weniger gearbeitet; ihre Arbeitszeit verkürzt sich. Die Arbeitsmarktreformen
     sollten über den verstärkten Druck auf Arbeitslose und Löhne im Idealfall zu einer Zunahme sowohl der Zahl der Beschäftigten
     als auch der Arbeitsstunden führen. Allerdings sollte der Druck auf Arbeitslose primär das Ergebnis haben, dass sie schneller
     eine Beschäftigung finden, für wie viele zu leistende Arbeitsstunden auch immer. Der Erfolg müsste sich daher zunächst einmal
     in einer höheren Zahl von Beschäftigten zeigen.
    Neben der rein quantitativen Messung dürfen wir aber die Qualität der Beschäftigung nicht aus den Augen verlieren. Was aber
     macht diese Qualität aus? Man muss überprüfen, ob die zusätzlichen Stellen unbefristet und sozialversicherungspflichtig sind
     oder ob es sich um befristete Stellen möglicherweise im Rahmen von Zeitarbeit handelt. Im schlechtesten Fall unterliegen sie
     nicht einmal der Sozialversicherungspflicht. In den Augen überzeugter Arbeitsmarktreformer wäre dies dennoch ein Erfolg –
     das wäre eben der Preis, den man für eine erhöhte Beschäftigung zahlen müsse. Die schlechtere Qualität der Stellen – so die
     Argumentation – mache die Beschäftigung für Unternehmen ja billiger. Nur so ließen sich diese neuen Stellen überhaupt schaffen.
     Diese Interpretation ist umstritten. Die verschlechterte Qualität kann nämlich auch das Ergebnis von umgewandelten Stellen
     sein, die zuvor von höherer Qualität waren. Die Unternehmen nutzen demnach den von den Arbeitsmarktreformen
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