Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Zypressengarten

Der Zypressengarten

Titel: Der Zypressengarten
Autoren: Santa Montefiore
Vom Netzwerk:
öffnen.
    »Boote«, wiederholte Marina und bemühte sich, ein kleines bisschen begeistert zu klingen. »Wie interessant … wenn auch nicht überraschend«, ergänzte sie schmunzelnd.
    Mr Bascobalena ging nicht auf ihre Anspielung auf seine Piratenkleidung ein.
    »Oh, mich faszinieren Boote schon, seit ich ein kleiner Junge war.«
    »Dann sind Sie an der Küste aufgewachsen?«
    »Ja, genau wie mein Vater und mein Großvater vor ihm.« Er war durch ein paar Bilder an der Wand abgelenkt. »Das sind schöne Landschaften. Sind Sie Sammlerin, Mrs Turner?«
    »Leider nein. Und ich male auch nicht. Ich bewundere allerdings Leute wie Sie, die es können. Also, sehen wir uns einige Ihrer Arbeiten an.«
    Er zog eine Zeichnung von einem Fischerboot in aufgewühlter See aus der Mappe. Für einen Moment vergaß Marina seinen Geruch und den ungewöhnlichen Aufzug und starrte ungläubig auf das Bild.
    »Das ist wunderschön«, hauchte sie und rutschte nach vorn auf die Sesselkante. »Sie sind begabt.«
    »Dann sehen Sie sich diese hier an.« Er zog ein anderes hervor. Der wehmütige Charme seiner Arbeiten verblüffte Marina. Er hatte alle erdenklichen Arten von Schiffen und Booten gezeichnet: von elisabethanischen Flotten bis hin zu modernen Jachten und Barkassen; manche im Morgengrauen auf ruhiger See, andere im Mondschein auf endlosem Meer, und allesamt von dieser seltsamen Melancholie erfüllt. »Ich male auch in Öl, aber die Bilder sind zu groß, als dass ich sie mitbringen konnte. Sie dürfen aber jederzeit zu mir kommen und sie sich ansehen, wenn Sie mögen. Ich wohne in der Nähe von Salcombe.«
    »Danke. Ich bin sicher, dass sie genauso reizend sind wie Ihre Zeichnungen.« Sie sah ihn ernst an. »Sie haben ein außerordentliches Talent.«
    »Könnte ich Menschen malen, würde ich Sie porträtieren.« Marina beachtete seinen anzüglichen Blick nicht.
    »Sie malen keine Menschen?« Sie tat enttäuscht.
    »Niemals.« Er fuhr sich durch sein ausdünnendes graues Haar, das ihm bis zu den goldenen Epauletten auf den Schultern hing. »Habe ich auch noch nie. Ich bekomme sie nicht richtig hin. Egal, wen ich male, hinterher sehen alle wie Affen aus.«
    »Wie schade. Es ist leider so, Balthazar, dass ich einen Künstler brauche, der meinen Gästen beibringt, alles zu malen, nicht bloß Schiffe und Affen. Tut mir leid.«
    Als Balthazar die Schultern hängen ließ, erschien Heather mit einem Tablett, auf dem ein silbernes Kaffeekännchen und ein Cappuccino standen. Marina sah sie tadelnd an, weil es so lange gedauert hatte, und Heather errötete. Sie stellte das Tablett auf den Schreibtisch. Marina hoffte, er würde gleich gehen, doch er blickte gierig zu den Ingwerplätzchen und wirkte sogleich munterer. Folglich blieb Marina nichts anderes übrig, als ihm Kaffee einzuschenken und die Plätzchen zu reichen, während er sich entspannt auf dem Sofa zurücklehnte.
    Clementine stieg in ihren roten Mini Cooper und fuhr die gewundenen engen Landstraßen hinunter zum Städtchen Dawcomb-Devlish. Luftige Felder wellten sich in einem Patchworkmuster aus unterschiedlichen Grüntönen unter einem klaren hellblauen Himmel. Schwalben huschten hin und her, Möwen schrien, und hie und da waren Ausschnitte des blau glitzernden Meeres zu sehen, das sich am Horizont in milchigem Dunst verlor. Doch all der Schönheit zum Trotz war Clementines Stimmung finster.
    Elend starrte sie auf den grauen Asphalt und dachte über ihr Schicksal nach. Sie wünschte, sie würde wieder durch Indien reisen, die Freiheit genießen, die ihr drei Jahre und ein anständiger Abschluss an der Universität eintrugen, statt jeden Morgen nach Dawcomb-Devlish zu fahren und sich als Sekretärin für den entsetzlich öden Mr Atwood und dessen verschlafenes Maklerbüro in der Hauptstraße herumzuschlagen.
    Es war ein ziemlicher Schock gewesen, als ihr Vater ihr erklärte, dass ihm das Geld fehlte, ihren Lebensstil weiterzufinanzieren. Sie hatte gehofft, die Arbeit wenigstens noch ein Jahr länger aufschieben zu können. Er bot ihr einen Job im Hotel an, wie Jake, der sich inzwischen zum Manager hochgearbeitet hatte. Doch Clementine starb lieber, als unter ihrer Stiefmutter zu arbeiten. Also fand er die Stelle bei Mr Atwood, wo sie sechs Monate lang die Sekretärin Polly vertrat, solange die in Mutterschaftsurlaub war. Falls sie sechs Wochen durchhielt, wäre das schon ein Wunder, und das nicht bloß, weil sie kaum tippen konnte, sondern auch noch sehr desorganisiert war. Clementine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher