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Der Zypressengarten

Der Zypressengarten

Titel: Der Zypressengarten
Autoren: Santa Montefiore
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Haus in Mailand ja wie ein Palast für einen König sein.«
    Lachend warf er den Kopf in den Nacken. »Es ist groß, aber nicht groß genug für einen König. Dies hier ist größer. Auf dem Land ist mehr Platz.«
    »Es ist schon alt, nicht?«
    »Fünfzehntes Jahrhundert. Es wurde von der Medici-Familie gebaut, 1452 entworfen von Leon Battista Alberti. Weißt du, wer er war?«
    »Selbstverständlich weiß ich das.«
    »Wie alt bist du?«
    »Zehn und zehn Monate. Ich habe im August Geburtstag. Da werde ich eine große Feier machen.«
    »Ja, gewiss wirst du das.«
    Sie sah hinunter auf ihre Füße. Für sie gab es nie eine Feier. Seit ihre Mutter fort war, dachte überhaupt keiner mehr an ihren Geburtstag. »Wie heißt dein Hund?«
    »Gute-Nacht.«
    »Das ist ein komischer Name.«
    »Er ist ein Streuner, und ich habe ihn mitten in der Nacht auf der Straße gefunden. Also habe ich ihn Gute-Nacht genannt, weil es eine gute Nacht war, denn ich fand ihn.«
    Sie bückte sich, um den Hund zu streicheln. »Was ist er?«
    »Weiß ich nicht. Eine Mischung aus lauter verschiedenen Rassen.«
    »Er ist süß.« Sie kicherte, als der Hund ihr das Gesicht ableckte. »Hey, vorsichtig, Hundchen!«
    »Er mag dich.«
    »Ich weiß. Streuner mögen mich immer.«
    Weil du selbst wie einer aussiehst, dachte er, während er zuschaute, wie sie ihre Arme um Gute-Nacht schlang und den Kopf in sein Fell neigte.
    »Ich habe einen neuen Freund«, sagte sie mit einem triumphierenden Lächeln.
    Er lachte. »Nein, du hast zwei. Komm mit.«
    Nebeneinander gingen sie die Einfahrt entlang, und mit jedem Schritt gewann das Mädchen mehr Vertrauen. Der Junge erklärte ihr die Architektur, prahlte mit seinem Wissen, und sie lauschte fasziniert. Sie wollte sich jede noch so kleine Kleinigkeit merken, um sie später ihrer Freundin Costanza zu erzählen. Die Villa war sogar noch größer, als sie gedacht hatte. Vom Tor aus konnte man nur den mittleren Teil zwischen den Bäumen am Ende der Einfahrt sehen. Von diesem Teil gingen noch zwei Flügel links und rechts ab, nicht ganz so hoch, aber genauso breit. Mit den klassischen Proportionen und der schlichten Fassade strahlte die Villa eine unaufdringliche Eleganz aus, und die gelbe Farbe verlieh ihr ein fröhliches, gefälliges Ausehen, als wüsste sie, dass sie sich nicht anstrengen müsste, schön zu sein. Das Mädchen sehnte sich danach, durch die Zimmer zu schlendern und die Gemälde anzusehen, die dort an den Wänden hingen. Es war sicher, dass das Haus von innen noch wundervoller war als von außen. Aber der Junge brachte sie um das Haus herum nach hinten, wo eine geschwungene Steintreppe von der Terrasse in den Garten voller Statuen, Terrakotta-töpfen mit in Form geschnittenen Sträuchern und hohen Pinien hinabführte. Dem Mädchen war, als wäre es gestorben und ins Paradies gekommen, denn der Himmel könnte unmöglich schöner sein als dies hier.
    Vom großen Garten ging es durch eine kleine Pforte in der Mauer in einen hübschen Schmuckgarten, der von einem gemauerten Laubengang eingerahmt wurde. In der Mitte stand ein herrlicher Brunnen mit Meerjungfrauen, die Wasserfontänen in die Luft warfen. Um den Brunnen herum war der Weg hie und da mit Thymian gesäumt, und hübsche schmiedeeiserne Bänke standen auf allen vier Seiten an den niedrigen Hecken, die vier glatte Rasenflächen mit Blumenbeeten in der Mitte voneinander trennten. Das Mädchen brauchte einen Moment, all das in sich aufzunehmen. In seinen Sandalen stand es da und hielt sich eine Hand aufs Herz. Noch nie hatte es eine solche Pracht gesehen.
    »Dies ist der Garten meiner Mutter«, erzählte der Junge. »Sie wollte ein Plätzchen, wo sie in Ruhe lesen kann, ohne heimlich beobachtet zu werden.« Er zwinkerte ihr zu und lachte wieder. »Du müsstest schon eine sehr begabte Spionin sein, um hier hereinzukommen.«
    »Ich wette, deine Mutter ist hübsch«, sagte sie, wobei sie an ihre eigene Mutter dachte und überlegte, wie sie ausgesehen hatte.
    »Ist sie, nehme ich an. Bei seiner eigenen Mutter achtet man wohl nicht so darauf.«
    »Wo liest sie?«
    »Ich denke, dass sie auf einer der Bänke am Springbrunnen sitzt. Aber ich weiß es nicht. Ich habe nie nachgesehen.« Er schlenderte hin. Das Staunen des kleinen Mädchens steckte ihn an. »Es ist wirklich hübsch, nicht?«
    »Stell dir vor, du sitzt hier in der Sonne, hörst das Wasserplätschern und guckst den Vögeln zu, wie sie im Brunnen baden.«
    »Es ist sehr friedlich.«
    »Ich mag
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