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Der zweite Weltkrieg

Der zweite Weltkrieg

Titel: Der zweite Weltkrieg
Autoren: Gerhard Schreiber
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ermöglichte.
4. Die Kriegsentfesselung
    Am Morgen des 1. September fiel die Wehrmacht – ohne die völkerrechtlich zwingend vorgeschriebene Kriegserklärung – in Polen ein. London und Paris verlangten umgehend die Einstellung der Kampfhandlungen und den Rückzug der deutschen Truppen aus polnischem Gebiet. Da die entsprechenden Noten unbeantwortet blieben, forderte man Hitler zwei Tage später ultimativ auf, eine diesbezügliche Zusicherung abzugeben. Als die Frist verstrichen war, erklärten sich Großbritannien, Frankreich, Australien, Indien und Neuseeland am 3. September als mit dem Deutschen Reich im Kriegszustand befindlich. Die Südafrikanische Union folgte am 6. und Kanada am 10. September.
    Der Diktator erließ sofort Aufrufe an das Volk und an die Partei, in denen er behauptete, Deutschlands „jüdisch-demokratischer Weltfeind“ sei für den Krieg verantwortlich. Als Konsequenz hatte er in seiner Reichstagsrede vom 30. Januar 1939 die „Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa“ vorhergesagt; und das meinte Hitler ernst. Der Völkermord an den europäischen Juden stellte – neben der Eroberung von Lebensraum im Osten als Voraussetzung für den Griff nach der Weltherrschaft – sein zweites eigentliches Ziel dar. Die Verwirklichung begann mit dem Einmarsch in Polen: durch Erschießungen und administrative Maßnahmen.
    Über die interne Reaktion auf die alliierten Kriegserklärungen gibt es unterschiedliche Aussagen. Joseph Goebbels, Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, notierte am 4. September in seinem Tagebuch, der „Führer“ sei „sehr zuversichtlich“ und rechne im Westen, bis zum Sieg über Polen, mit einem „Kartoffelkrieg“. In der Tat hoffte Hitler Anfang September, dass die Briten und Franzosen einlenken würden. Eine Illusion, da – wie der Staatssekretär des Auswärtigen Amts Ernst v. Weizsäcker bereits am 5. des Monats in seinen „Papieren“ ahnungsvoll schrieb – nicht angenommen werden dürfe, dass die „Gegner“ mit Hitler und Ribbentrop „Frieden“ schließen. Weizsäcker behielt Recht. Zwar gab es wiederholt Bemühungen, einen Kompromiss- oder Sonderfrieden zu erreichen, aber wegen der Natur der Auseinandersetzung und der Grundhaltungen der Hauptakteure hatten solche Versuche bis zuletzt definitiv keine Aussicht auf Erfolg.
    Hitler, der gemeinsam mit militärischen, diplomatischen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Repräsentanten deutscher Revanche- sowie Aggressionspolitik 79 Monate lang einen Krieg vorbereitete, den er dann – ohne die ursprünglich vorgesehenen Pausen – rund 68 Monate führte, befand sich im Sommer 1939 am Ziel. Doch entgegen seiner Annahme weitete sich der Überfall auf Polen sofort zur Auseinandersetzung mit den beiden mächtigsten Weltreichen aus. Allein die britischen Dominions, Kolonien und Mandate umfassten ein Viertel des Erdballs. Es trat hinzu, dass die Sympathien der offiziell neutralen Amerikaner nicht den Deutschen gehörten. Letztere folgten ihrem „Führer“ loyal in einen Krieg, für den der Wehrmacht das strategische Konzept fehlte.
    Somit triumphierten am 1. September 1939 die Kriegstreiber über die Friedenspolitiker. Den „Appeasern“ war es nicht gelungen, den Krieg abzuwenden, was nicht bedeutet, dass sie ihn ermöglichten. Wer ihrer Politik gerecht werden will, muss sich fragen, welche Alternativen wann angemessen und bei Berücksichtigung der militärischen Fakten, der wirtschafts- und innenpolitischen Gegebenheiten, der internationalen Lage sowie der nationalen Interessen mit welchen Folgen durchsetzbargewesen wären. Auf die historische Situation bezogen und eingedenk der Tatsache, dass, solange Hitler an den Schalthebeln der Macht saß, der Krieg nur hinausgezögert, aber auf Dauer nicht verhindert zu werden vermochte, fällt die Bilanz der Appeasementpolitik nicht schlecht aus.
    Hätte der Diktator die Aggression 1939 auch ohne den Pakt mit Moskau gewagt? Mit letzter Sicherheit lässt sich diese Frage nicht beantworten. Unstrittig ist hingegen, dass der machiavellistische Realpolitiker Stalin, der wie jeder Politiker zuerst an das eigene Land dachte, durch seinen Beitrag zur deutschen wehrwirtschaftlichen Stabilisierung die Schwelle zum Krieg tief absenkte. Dennoch lag es ausschließlich bei Hitler, den entscheidenden Schritt zu tun. Er tat ihn aus eigenem Antrieb, ohne objektive Notwendigkeit, und keiner hat ihn arglistig dazu verführt.

III. Nebenkriege, die nichts
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