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Der Wunsch des Re

Der Wunsch des Re

Titel: Der Wunsch des Re
Autoren: Anke Dietrich
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mitten auf dem Podest des Königs geführt.
    Unschlüssig blieb Satra zurück und sah ihrem Gebieter hinterher.
    Geschmeidig ließ sich Amunhotep auf einem eleganten Stuhl mit weichem Kissen nieder. Eine Dienerin schob ihm einen niedrigen Tisch zu, während ein weiterer Diener herbeieilte, um dem Gast des Königs einen prachtvollen Becher mit hellem Wein zu füllen.
    Satra zog sich in der Zwischenzeit unauffällig zurück und drückte sich an die nächstliegende Wand, um nicht im Wege zu stehen und alles, was sie sah, in sich aufzunehmen.
    So prächtig hatte sie es sich in ihren kühnsten Träumen nicht vorgestellt, und das hier war nur der Palast in einem kleinen Tempel. Wie glanzvoll mussten erst die Feste im Königspalast in Theben, Memphis oder Per-Ramses sein, wo nicht nur Provinzler anwesend waren, sondern einflussreiche Persönlichkeiten und Abgesandte fremder Länder?
    Sie kam aus dem Staunen nicht heraus.
    Vom Fußboden war nicht viel zu sehen. Überall standen Stühle und Tische. Weiche, bunte Kissen lagen verstreut, um den erlauchten Gästen das Sitzen auf dem harten Boden so bequem wie möglich zu machen. Was man jedoch erkennen konnte, waren bunt glasierte Fliesen, die in verschiedenen Blautönen gehalten waren und den Nil mit seinem Fischreichtum wiedergaben.
    Das Motiv des Fußbodens zog sich weiter in den unteren Bereich der Wände und Säulen, wo es den Übergang in das grünende Ufer des Nil mit seiner Pflanzen- und Tierwelt fand. Papyrusdickichte und weiße und blaue Lotosblumen erstrahlten in leuchtenden Farben. Ganze Scharen von Sumpf- und Wasservögeln tummelten sich in der üppigen Vegetation. Krokodile und Nilpferde waren zu sehen, die im Wasser schwammen oder im Dickicht lauerten und ihr Maul weit aufgerissen hatten, sodass man ihre gefährlichen Eckzähne sah.
    Die Säulen waren das Abbild der Pflanzenwelt und dementsprechend dekoriert, wohingegen die Decke den Himmel darstellte und in einem leuchtenden Blau gestrichen war. Bunte Vögel bevölkerten ihn, die mit ihren Flügeln wild flatternd über den Gästen dahinzufliegen schienen oder mit ausgebreiteten Schwingen majestätisch über ihren Köpfen schwebten.
    Die geladenen Herrschaften hatten sich für das königliche Bankett fein herausgeputzt. Sie waren in ihre besten Gewänder gehüllt, hatten die aufwendigsten Perücken aufgesetzt, und sie trugen den erlesensten Schmuck. Satra merkte ihnen an, dass es für sie nicht alltäglich war, zu einem solchen Fest geladen zu sein, bei dem der Herr der Beiden Länder persönlich anwesend war. Es herrschte allgemein gute Laune, und gespannt warteten alle auf das Erscheinen von Ramses und seiner Königin.
    Satras Blick fiel auf die Bediensteten, die zum größten Teil aus dem königlichen Palast in Per-Ramses stammten. Sie musste Turi recht geben, dass sie ausnehmend gut gekleidet waren und wunderschöne Amulette, Halskragen, Arm- und Fußreife sowie Ohrgehänge trugen. Ihre Köpfe schmückten einfache Perücken, und mit einem Mal fiel ihr auf, dass sie, von ein paar Priestern abgesehen, die Einzige war, die keine trug. Hinzu kam noch ihr kahl geschorener Schädel, und das als Frau.
    Verlegen senkte sie den Blick und sah an ihrem grob gewebten Leinen hinunter auf ihre Sandalen.
    Die Tür zur Rechten des königlichen Podestes ging auf, und ein wohlgenährter Beamter in mittleren Jahren erschien und klopfte mit seinem Amtsstab gebieterisch dreimal auf den Boden.
    Augenblicklich kehrte Ruhe ein, und alle Augen richteten sich erwartungsvoll auf den Mann.
    »Seine Majestät, der von der Biene und der von der Binse, Usermaatre Setepenre Ramses, dem es gewährt sein möge, wie sein Vater Re ewig zu leben.«
    Alle Anwesenden, vom höchsten Würdenträger bis hin zum niedersten Diener, fielen augenblicklich auf die Knie und drückten die Stirn auf den gefliesten Boden. Dann war das Klatschen von Ledersandalen zu vernehmen, das Rascheln von Gewändern und das Klirren von Schmuck.
    Als die Stimme des Obersten Herolds erneut ertönte, erhoben sich alle und warfen verstohlene Blicke in Richtung des Podestes, denn es geziemte sich nicht, den Pharao oder Mitglieder der königlichen Familie anzustarren.
    Auf ein Zeichen hin, begannen die Diener mit dem Auftragen der Speisen, die in den Küchen des Osiris-Tempels seit Tagen zubereitet worden waren. Es gab Unmengen an Fleisch und Gemüse, an Obst, Wein und Bier. Die Bediensteten schleppten riesige Platten mit gebratenen Enten und Gänsen, Wachteln und Tauben sowie
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