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Der Wunsch des Re

Der Wunsch des Re

Titel: Der Wunsch des Re
Autoren: Anke Dietrich
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das Interesse beimaß, welches ihr ihr Gemahl verwehrte, und sie gab seinen Reichtum mit vollen Händen aus.
    Nach dem Einbringen der Ernte nahm der Unmut unter den Land besitzenden Herren zu. Ramses’ Kornspeicher waren bis zum Rand gefüllt, und auch die der Tempel quollen beinahe über. Einzig der Adel schimpfte hinter vorgehaltener Hand, denn Ramses hatte, wie schon im Jahr zuvor, die Steuern kräftig erhöht. Es ging den Reichen nicht schlechter als sonst; dennoch fühlten sie sich betrogen und von ihrem Herrscher ungerecht behandelt. Unter vielen machte sich Unzufriedenheit breit.
    Sethi nahm diese Entwicklung mit Befriedigung zur Kenntnis. Es verschaffte ihm die Möglichkeit, einflussreiche Männer um sich zu scharen, die sich mit Ramses’ Handlungsweise nicht einverstanden erklären konnten und deshalb bereit waren, ihm bei seiner Thronbesteigung behilflich zu sein.
    Der Prinz war begeistert. Die Stimmung hatte sich gefährlich zugespitzt.
    Er gratulierte seinem königlichen Neffen zu seinem hervorragenden Einfall, die Abgaben zu erhöhen, um einer Hungersnot vorzubeugen. »Vielleicht solltest du die Tempel im kommenden Jahr ebenfalls besteuern«, riet er ihm, aber Ramses wies derlei Gedanken strikt von sich.
    »Die Tempel sind seit alters her von Steuerzahlungen befreit, Sethi. Ich werde daran nicht rütteln«, erklärte er.
    Stattdessen ließ er neue Speicher bauen und erteilte seinen Beamten den Befehl, so viel überschüssiges Korn wie möglich zu kaufen, um es darin einzulagern. Die Kaufleute verlangten indes horrende Preise, die Ramses nicht bereit war zu bezahlen. Er ahnte nicht, dass hinter all dem sein eigener Onkel stand, der sich nicht nur unter den Beamten und Priestern nach Verbündeten umgesehen hatte, sondern auch fremdländische Händler für sich hatte gewinnen können.
    Ramses tobte vor Wut, doch zwingen konnte er die Händler nicht, ihre Waren billiger anzubieten.
    »Es ist, als ob sich alle gegen mich verschworen hätten!«, schimpfte er in Gegenwart von Nehi. »Ich werde das Gefühl nicht los, dass es jemanden gibt, der das alles zu verantworten hat.«
    Nachdenklich zog der Wesir die Augenbrauen in die Höhe. »Das erscheint mir ebenso, Majestät. Doch wer hat so viel Einfluss, um gegen dich zu intrigieren?«
    »Da kommen sicherlich eine ganze Reihe Leute in Betracht«, erwiderte Ramses zerknirscht, »aber ohne Beweise kann ich keinen dafür zur Rechenschaft ziehen.«
    »Hast du jemanden in Verdacht?«
    Unschlüssig zuckte Ramses mit den Schultern. »Nein. Es kann ein Priester oder hoher Beamter sein. Es könnte genauso gut auch jemand sein, dem ich in den vergangenen beiden Jahren die Steuern erhöht habe.« Seine Stirn umwölkte sich. »Alle tun so, als hätte ich sie dem Hungertod preisgegeben, dabei sind sie dick und fett und werden immer feister! Das Land bewegt sich ins Chaos, und ich bin es, der dem entgegenzuwirken hat. Das Volk erwartet es von mir, doch wenn ich ihre Mithilfe fordere, sind sie mir gram.«
    Unwillkürlich musste Ramses an die Worte seines zu Osiris gegangenen Vaters denken, der ihm gesagt hatte, dass er keine Freunde mehr hätte, wenn er auf dem Horusthron säße. Selbst Bruder und Schwester würde es dann nicht mehr geben. War jetzt dieser Punkt erreicht? Musste er womöglich sogar in Betracht ziehen, dass es kein Fremder war, der sich gegen ihn zu stellen versuchte, sondern jemand aus seiner eigenen Familie, aber wer?
    Nachdenklich starrte Ramses vor sich auf den gefliesten Boden des Audienzsaals.
    »Worüber grübelst du nach?«, wagte Nehi zu fragen, doch Ramses winkte ab.
    »Gibt es etwas Neues von Ramose?«, fragte er stattdessen.
    Der Wesir verneinte. »Er sitzt auf seinem Anwesen und züchtet Rosen, Majestät. Ab und zu fährt er zur Entenjagd ins Faijum. Er tut nichts, was ihn verdächtig macht.«
    »Wurde dieser Arbeiter endlich aufgespürt?«
    »Leider nicht. Es ist, als hätte ihn die Unterwelt verschluckt.«
    »Dann durchstöbert die Unterwelt!«, knurrte Ramses und ballte die Fäuste. »Ich will, dass dieser Mann gefunden wird – tot oder lebendig, das ist mir egal. Letzteres wäre mir jedoch lieber, denn tot kann er meine Fragen nicht mehr beantworten.«
     
    * * *
     
    Die Feierlichkeiten zu Ehren des Großen Gottes Osiris standen kurz bevor und sollten in diesem siebenten Jahr der Regierung von Ramses VII. weitaus großzügiger ausfallen. Der Pharao hatte dem Tempel einen großen Anteil vom Gold der Expedition zukommen lassen, damit der heilige
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