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Der Wunsch des Re

Der Wunsch des Re

Titel: Der Wunsch des Re
Autoren: Anke Dietrich
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schmackhaftes Mittagessen gesorgt, dass sie den hohen Würdenträgern kredenzten. Wenig später erschien auch der Herr der Beiden Länder, der sich in Begleitung des Hohepriesters des Re von Heliopolis befand, und befahl, Amunhotep und den Ersten Propheten des Ptah zu ihm zu bringen.
    Satra sprang auf die Füße, als sich ein Diener dem Sonnensegel näherte und den Oberpriester aufforderte, ihm zu folgen. Sie reichte Amunhotep seinen Amtsstab, den dieser nahm und dem Mann zügigen Schritts zum Zelt des Königs folgte.
    Angestrengt überlegte Satra, was sie tun sollte, und eilte schließlich Amunhotep hinterher. Sie überholte ihn kurz vor Ramses’ Zelt, stoppte abrupt und drehte sich zu ihm um, sodass sie sich Auge in Auge gegenüberstanden.
    Überrascht blieb der Oberpriester stehen.
    »Herr«, sagte sie mit fester Stimme und sah ihm direkt ins Gesicht, »ich will mitkommen.«
    Amunhotep glaubte, sich verhört zu haben. Nicht nur, dass sie mitkommen
wollte
, auch ihr Tonfall war für ihn ungewohnt. Sein Blick verfinsterte sich und bohrte sich förmlich in ihren Leib. Dann trat er einen Schritt auf sie zu, doch sie wich nicht zur Seite.
    »Bitte, Gebieter, ich muss es sehen!« Mit diesen Worten gab sie ihm den Weg frei.
    Wortlos schritt der Oberpriester an ihr vorüber. Dabei traf sich sein Blick mit dem des Königs, der in Hörweite gestanden und Satras Worte vernommen hatte.
    Ramses nickte kaum merklich.
    Amunhotep blieb stehen, drehte sich zu Satra um und musterte sie kurz. »Dann komm!«
    Den Ersten Propheten des Re und des Ptah verschlug es die Sprache. Verständnislos blickten sie zu ihrem König, doch dieser schlug wortlos den Weg zur Flanke des Sphinx ein.
    »Was hat das zu bedeuten?«, fragte Ramose, der Hohepriester des Re, leise seinen Amtskollegen aus Memphis. »Es dürfen nur geweihte, reine Menschen diese heilige Stätte betreten.«
    Ratlos zuckte Nefertem mit den Schultern. »Ramses wird schon wissen, was er macht.« Er warf der Dienerin einen verächtlichen Blick zu. »Sie wird es sowieso nicht überleben. Wenn nicht der göttliche Zorn des Re sie tötet, so muss es der König tun ... oder jemand anderes. Eine Uneingeweihte darf diese Halle nicht sehen.« Er sah den Re-Hohepriester vielsagend an.
    »Das ist richtig, Nefertem, aber dieser heilige Ort wird durch ihre Anwesenheit entweiht.« Ramose ließ nicht locker, während der Erste Prophet des Ptah ihn nur unbeeindruckt musterte.
    »Dann müssen die Priester des Re und des Thot diesen Ort erneut weihen, denn der Wunsch des Pharaos ist heiliges Gesetz. Wenn er diese Dienerin dabeihaben will, dann wird es so geschehen.«
    Ramose gab keine Erwiderung darauf, aber Nefertem entging nicht, dass ihm die Antwort nicht gefallen hatte.
    Schweigend folgten sie dem König.
    Als die vier Männer und die Frau den von zwei stämmigen Soldaten bewachten Eingang am Sockel des Sphinx erreicht hatten und in die Dunkelheit des labyrinthartigen Ganges traten, umfing sie eine unerwartete Kühle und fremde, geradezu bösartige Aura, die selbst den Pharao frösteln ließ. Ramses schüttelte jedoch das ungute Gefühl ab und befahl Ramose, ihnen den Weg zu weisen, den dieser anhand verschlüsselter Hinweise auf einem vergoldeten Stück Holz zu deuten wusste.
    Über eine Treppe ging es tief in den Fundamentbereich des Sphinx. Schon bald sahen sie sich neun gleichartigen Türen gegenüber, von denen Ramose die mittlere öffnete. Sie betraten einen quadratischen Raum, von dem wiederum neun Gänge in die unbekannten Tiefen des Sphinx führten. Der Re-Hohepriester nahm den zweiten von links in der Wand gegenüber dem Zugang und führte die kleine Gruppe weiter hinein in das Labyrinth aus Gängen, Treppen und Räumen. Mal stieg der Weg merklich an, dann schien er gerade zu sein, und mal fiel er ab. Es ging links entlang, dann wieder rechts, und schon bald wusste niemand mehr, wo er sich befand.
    Satra war aufgefallen, dass sie immer öfter an verschlossenen Türen vorbeigekommen waren, und schlussfolgerte daraus, dass es sicher mehrere Wege gab, um dieses Geflecht aus Kammern und Gängen zu durchqueren. Wahrscheinlich waren sie gar nicht so weit von der Stelle entfernt, wo sich der Zugang befand, der wieder nach draußen führte. Die verschlossenen Türen waren sicher jene, die in ihrer Neunheit hinter einem jeden Abschnitt des Tunnelsystems lagen. Doch wo genau sie sich jetzt befanden – unter dem Sphinx, in dem Sphinx oder vielleicht doch schon in einer der drei Pyramiden
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