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Der Wolkenkratzerthron (German Edition)

Der Wolkenkratzerthron (German Edition)

Titel: Der Wolkenkratzerthron (German Edition)
Autoren: Tom Pollock
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als wüsste er, dass sie’s nicht fertigbrachte. Pen hatte ihre Hand oben behalten, aber nach einer Weile hatte ihr Arm angefangen zu zittern. Als sie es sich schließlich so lange verkniffen hatte, dass sie vor Schmerzen zusammenklappte, zerrte Beth ihren verkrümmten Leib vom Stuhl und hievte sie aus dem Klassenzimmer. Kaum dass sie draußen den Flur entlanghetzten, hörten sie, wie das Gelächter losbrach.
    Später, als sie hinter dem Naturwissenschaftstrakt gestanden hatten, hatte Beth gefragt: »Wieso bist du nicht einfach gegangen? Er hätte dich nicht aufhalten können, also warum bist du nicht einfach raus?«
    Auf Pens Gesicht hatte dieses eingefrorene Clownslächeln gelegen, ein sicheres Zeichen dafür, dass sie Panik schob. »Ich dachte bloß …« Sie verschluckte die Worte halb und blickte starr auf ihre Schuhe. »Ich dachte bloß, mit jeder Sekunde, die verging, wenn ich’s jetzt nur noch eine weitere , eine weitere aushalten könnte, wär’s okay. Und ich müsste mich nicht … du weißt schon.«
    Mit ihm anlegen. Beth hatte den Satz für sie beendet.
    Sie hatte ihre Freundin fest in die Arme genommen. Beth wusste, dass Pen Kraft besaß, sie erkannte sie jeden Tag, doch diese Kraft war eine, die widerstand, ohne sich jemals zu widersetzen. Pen konnte die Schläge wegstecken, doch sie schlug nie zurück.
    In diesem Moment hatte Beth beschlossen, dass sie etwas unternehmen musste. Und – das hier war etwas .
    Sie richtete den Strahl ihrer Taschenlampe wieder auf das Bild, und die Anspannung in ihrer Brust wich einer warmen Zufriedenheit. Ein Albtraum in Neon , dachte sie. Hässlich passt zu dir, Doc.
    »Beth Bradley«, flüsterte Pen. Sie klang noch immer verängstigt, aber diesmal auch ein wenig ehrfürchtig. »Du bist ’ne echte Eins-a- Spinnerin .«
    »Ja, ich weiß«, sagte Beth, und ein Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht. »Aber ich bin wirklich gut – «
    Ein schrilles Heulen gellte durch die Nacht: Polizeisirenen, die schnell näher kamen. Instinktiv kauerte Beth sich auf den Boden und riss sich die Kapuze über ihr kurzes, verwuscheltes Haar.
    »Verdammte Scheiße« , wisperte Pen panisch, »ich hab doch gesagt , dass uns wer gesehen hat! Die müssen die Sache gemeldet haben – die denken bestimmt, wir wollen hier irgendwas klauen.«
    »Ach, und was?«, murrte Beth zurück. »Das Geheimrezept für die Mäusekackepastete aus der Kantine? Ist ja nicht so, als gäb’s in dieser Schule irgendwas, das sich zu stehlen lohnt.«
    Pen zupfte Beth am Ärmel. »Wie auch immer – wir müssen hier weg.«
    Beth riss ihren Ärmel los, hockte sich auf die Knie und verpasste der Kieferkontur hektisch noch einen Extraschatten. Das Ganze musste exakt stimmen.
    »B, wir sollten hier echt abhauen!« Pen hüpfte vor lauter Aufregung von einem Bein aufs andere.
    »Dann hau ab«, zischte Beth.
    »Ich geh nicht ohne dich.« Pen klang beleidigt.
    Beth sah nicht einmal auf. »Pen, wenn du dich jetzt nicht vom Acker machst, und damit meine ich jetzt sofort , dann stecke ich Leon Butler, dass du’s warst, die ihm dieses Gedicht auf den Schreibtisch getippext hat.«
    Einen Augenblick lang herrschte schockiertes Schweigen, dann keuchte Pen: »Miststück.«
    »Leon, mein Löwe, ich wär dein ganzer Stolz. Und nicht nur im Innern …« , rezitierte Beth in gedämpftem Singsang. Sie konnte nicht anders, sie musste grinsen, als Pen unter leisem Fluchen davonstob.
    Beth brachte die Füße unter ihren Körper, um jederzeit losrennen zu können, während sie weitermalte. Die Sirenen waren jetzt ziemlich nah. Waaaoooh – das Geheul stieg noch einmal in schrille Höhen, dann brach es mittendrin ab. Sie hörte, wie Wagentüren geöffnet und wieder zugeschlagen wurden. Am Tor hinter ihr rasselte es. Der Eingang zur Schule war versperrt, und die Bullen kletterten jetzt genauso auf das Gelände wie zuvor sie und Pen. Beth sprühte Farbe in ein üppiges Warzennest unter einem der Augen.
    »He!«
    Der Ruf schickte ihr einen Angstschauer über den Rücken. Eklig genug , dachte sie. Sie stopfte ihre Schablonen und Farben zurück in ihren Rucksack, schnappte sich ihre Taschenlampe und rannte los. Schwere Stiefel polterten hinter ihr auf dem Asphalt, doch sie sah sich nicht um, denn es gab keinen Grund, denen ihr Gesicht zu zeigen. Mit gesenktem Kopf jagte sie weiter, während der Wind ihr in den Ohren rauschte und sie betete, dass die Polizisten hinter ihr reichlich mit Stichschutzwesten und Schlagstöcken beladen waren, betete, dass
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